Freitag, 31. Juli 2020

Die Phasen der Erlösung

Ich bin tatsächlich unfassbar froh, dass mein Weg so war wie er eben war. Ich bin so froh, dass ich bereits ganz individuell, im kleinen Rahmen quasi, den Weg in die Freiheit finden musste. Ich bin so froh, dass ich emotionalen Missbrauch und Narzissmus erlebt habe und dass ich den Ausweg finden "musste". Die Phasen, die ich im persönlichen Bereich durchlebt habe, erfahren wir gerade auf kollektiver Ebene. Mir hilft es enorm immer wieder meinen Weg anzuschauen und daraus Schlüsse zu ziehen, was da gerade auf der Welt los ist.

Anfangs, als kleines Kind, war es normal für mich, dass ich gehorsam bin, dass ich den Anweisungen von außen folge, dass meine Bedürfnisse immer untergeordnet wurden. Es war normal Leistung zu erbringen. Es war normal, dafür sorgen zu müssen, dass es den anderen gut geht. Es war normal daran schuld zu sein, wenn es anderen nicht gut geht. Prinzipiell ging es mir ja nicht schlecht. Materiell war ich bestens versorgt und es gab selbstverständlich ein kleines Maß an Freiheit, in dem ich mich bewegen konnte. Es war normal, dass mir gesagt wurde, dass ich doch nicht undankbar sein sollte, dass ich es doch gut hatte, viel besser als meine Eltern früher. Das ist wahr. Aber ist das das Maß der Dinge? Dass es andere schlechter hatten/haben?

Dann regte sich immer mehr Widerstand in mir. Ich hatte mehr und mehr das Gefühl, dass hier etwas schief läuft, dass da Dinge verzerrt werden, dass da mit zweierlei Maß gemessen wird, dass da Willkür herrscht, Ungerechtigkeit, dass da Tatsachen verdreht werden, dass Zusammenhänge falsch verknüpft werden. Mit Blicken, Worten, Andeutungen wurde Gehorsam gefordert. Jeder Versuch, den Dingen auf den Grund zu gehen und die Wahrheit herauszufinden, wurde durch Aggression, Vorwürfe und Killerphrasen im Keim erstickt. Logik und Transparenz waren nicht vorhanden. Nichts von dem, was ich anzweifelte, konnte mir schlüssig erklärt werden. Ich wurde verbal angegriffen für meine Dreistigkeit, für meine "blöde Art". Statt bei der Sache zu bleiben, wurde der Spieß umgedreht. Plötzlich ging es um mein Verhalten. Mir wurde gesagt, dass ich kalt und egoistisch bin, dass ich mich anstelle, dass ich schwierig bin, dass ich das Problem bin.

Ich habe gekämpft. Viele Jahre. Als Kind, als Jugendliche, als junge Erwachsene. Immer wieder gab es Streit. Immer hab ich den Kürzeren gezogen. Ich hatte das Spiel noch nicht verstanden, noch nicht begriffen, was da eigentlich lief.

Dann irgendwann kam mir "Narzissmus" zu Ohren. Ich las darüber und plötzlich fiel mir alles wie Schuppen von den Augen. Mit meiner Wahrnehmung war tatsächlich alles in Ordnung. Da lief ein krass destruktives Muster und ich war mittendrin. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, wie sehr die Groschen gefallen sind. Wie sehr ich geweint habe, vor Erleichterung, weil ich plötzlich wusste, dass mit mir alles in Ordnung war, dass ich mich eben nicht getäuscht habe bei dem Eindruck, dass da was grundlegend nicht stimmte. So viel konnte ich rückblickend neu betrachten und bewerten. So vieles stellte sich plötzlich als ganz anders heraus, als es bis dahin schien.

Dann kam die Phase in der ich all die anderen darüber aufklären wollte. Ich wollte es meinen Geschwistern klar machen, ihnen die Augen öffnen. Ich wollte es meinem Papa deutlich machen. Ich wollte es der Welt erzählen. Anderen helfen, die in ähnlichen Situationen sind und ihnen damit aufzeigen, was dahintersteckt, hinter all dem "Leid". Nun, jeder wacht in seinem Tempo auf und manche wollten es einfach nicht wahrhaben, dass ein Elternteil es eben nicht immer gut mit ihnen meint, sondern ganz andere Ziele verfolgt. Die Wahrheit tut manchmal extrem weh. Aber sie macht auch frei.

Natürlich habe ich auch versucht, meiner Mutter klar zu machen, was sie da eigentlich treibt und wie scheiße das für andere ist, dass das so nicht geht und dass sie doch anders sein müsste. Ihr könnt euch sicherlich denken, wie viel Sinn das Ganze hatte. 😉

Irgendwann kam ich an den Punkt, an dem ich begriffen habe, dass hier niemand anders sein muss, dass keiner irgendwas begreifen muss, dass meine Freiheit und mein Frieden einzig und allein in mir stattfinden. Nicht die Situation hält mich fest, ich halte die Situation fest. Immer wieder kamen Momente, in denen ich das Gefühl hatte, dass meine Mutter noch Macht über mich hat. Und immer wieder fand ich die Lösung in mir und merkte, dass ich noch Macht abgegeben hatte, dass ich sie immer noch mächtiger einschätzte als mich selbst. Dass ich manchmal immer noch glaubte, sie könnte mir dazwischenfunken und in irgendeiner Form mein Leben beeinflussen und irgendwas bewerkstelligen, was ich nicht möchte, sie aber wohl.

Es ist ein Scheinriese. Der größte Feind, der größte Dämon will einfach nur entlarvt werden. Wir sind diejenigen, die ihn aus dieser Rolle entlassen können. Es gibt nichts zu bekämpfen. Die Wut ist normal und die Wut ist ein Geschenk. Doch wir müssen sie nicht gegen den Feind richten. Auf dieser Ebene wird das Spiel nicht entschieden. Auf dieser Ebene wird keine Freiheit "gemacht".

Ein ganz entscheidender Punkt war tatsächlich, alles zu integrieren und mir zu erlauben, was meine Mutter zum Ausdruck brachte. All das war ich auch. Ich war giftig, ich war bissig, ich war biestig. Ich konnte genauso gut kontrollieren und manipulieren. Ich konnte genauso gut lügen, andere bloßstellen, Tatsachen verdrehen. Ich konnte andere in Grund und Boden reden, sie einschüchtern und gefügig machen. Alles, was der größte Feind für uns verkörpert, sind wir auch. Wir sind immer alles. Was wir an anderen ablehnen, lehnen wir an uns selbst ab. Bisher habe ich jeden Dämon in mein Herz genommen, alles eingeatmet und anerkannt, dass ich das auch bin. Die Schöpfung wertet nicht. Jeder Aspekt hat seine Berechtigung. Es geht nicht darum, Dinge auszumerzen. Es geht darum, sie endlich anzuerkennen und zwar als sich selbst zugehörig.

Nun könnte man sagen, dass es ja nun nicht "nur" um die Eltern geht in diesem Weltgeschehen, sondern um "mächtige" Politiker, um Gesetze, um Strafen, die mit Staatsgewalt durchgesetzt werden können. Was soll es da bringen, wenn der einzelne die Freiheit in sich findet? Mit meiner Mutter war das eins zu eins. Jetzt ist es anscheinend "einer gegen viele". Das stimmt nicht. Wir, die die Freiheit in uns selbst finden, sind extrem viele. Die Regierung ist ein Kollektiv - also eins. Und wir sind ein Kollektiv - also eins. Es ist wieder eins zu eins. Also absolut kein Ungleichgewicht. Alles ist Bewusstsein. Alles ist möglich.

"Probleme" werden nie auf der Ebene gelöst, auf der sie sich zeigen. Was wir im Außen als Problem erleben, war auf geistiger Ebene vorher schon da. Und auf dieser geistigen Ebene kann es gelöst und erlöst werden.

Wie sehr glaubst du noch, dass die Regierung mächtiger ist als du? Wie sehr fühlst du Gesetze als bindend und einschränkend? Wie viel Macht misst du dem ganzen noch bei? Wie viel Gewicht gibst du dem Ganzen? Wie sehr lässt du dich beeindrucken von Regeln, Vorschriften, Androhungen? Wie klein fühlst du dich bei all dem? Wie ohnmächtig und einsam, unfähig etwas zu verändern? Der Elefant, der am Pflock festgebunden groß geworden ist, würde auch immer behaupten, dass der Pflock mächtiger ist als er. Er würde gar nicht in Erwägung ziehen, den Pflock anzuzweifeln. Die Gefangenschaft findet IN ihm statt.

Deine Ohnmacht findet IN dir statt.Das alles sind deine Gefühle und Gedanken. Niemand kann sie klären, verändern, erlösen, außer du selbst. Selbst wenn heute alle Vorschriften fallen würden, alle Einschränkungen aufgehoben werden würden, wäre es in dir nicht freier. Dann käme die nächste Situation, die dir deine innere Unfreiheit zeigt, damit du bemerkst, dass sie noch da ist.

Stell dir mal vor, was passieren würde, wenn sich von heute auf morgen niemand mehr an die Vorschriften hält. Sollen Millionen von Menschen eingesperrt werden? Was wenn die Polizei ebenfalls nicht mehr zur Verfügung steht, die Einhaltung der Gesetze zu überwachen?

Sag nicht, dass es nichts bringt, wenn du dich um deine innere Freiheit kümmerst. Wenn das nämlich ein paar Millionen machen, wird sich die Welt automatisch verändern, weil diese Menschen aus dem Spiel aussteigen und ihre Spielfigur vom Brett nehmen. Weil diese Menschen nicht mehr akzeptieren, dass eine Macht über ihnen steht und ganz selbstverständlich entsprechend handeln. Aus einer inneren Klarheit heraus. Sie haben ihre Gefühle geklärt. Sie haben ihr Bewusstsein geklärt und bereinigt und sind voll und ganz in der Eigenverantwortung. Sie kämpfen nicht, sie handeln aus ihrer inneren Größe heraus, entschlossen und ausgerichtet, orientiert an ihrem Selbstwert und ihrer Würde. Erlöst von alten Verstrickungen.

Danke Mama, dass du dich bereit erklärt hast, mir meine scheinbare Unfreiheit zu zeigen, damit ich meine innere Freiheit finden konnte. Was für eine Vorbereitung auf diese Zeit jetzt. 🙏❤️


Foto: Canva
Text und Gestaltung: Anja Reiche