Gerade merk ich’s. Ich hab mich versteckt.
Wollte nicht, dass das Leben mich erwischt.
Wollte unentdeckt bleiben, unterm Radar.
Nicht in Erscheinung treten, nicht auffallen.
Lieber unauffällig irgendwo existieren.
Einfach sein dürfen, unter der Bettdecke.
Unbemerkt von der Existenz, von anderen.
Da war die Angst, mich dann verlassen zu müssen,
wenn ich erstmal entdeckt bin, jemand merkt, dass es mich gibt.
In Begegnung mit anderen nicht mehr ich sein zu dürfen.
Dinge tun zu müssen, die ich gar nicht tun will.
Mich verlassen. Wieder zerbrechen und zersplittern,
über die eigenen Grenzen gehen, keinen Platz zu haben,
mich nicht zu spüren, nicht zu hören und nicht mehr mir gehören dürfen.
Bei Gott bin ich sicher. Aber bei Menschen?
Allein und bei mir, mit Gott oder mit anderen,
ohne mich mehr selbst zu haben und vor allem, ohne Gott zu hören.
Scheinbar gab es nur diese Wahl. Diese beiden Seiten.
Doch, ja, ja, das war mal so. Keine Frage. All das habe ich erlebt.
Die letzte Wahrheit ist es dennoch nicht.
Was mag passieren, wenn ich mich zeige? Dem Leben?
Sichtbar bin? Tatsächlich physisch nicht nur virtuell?
Was, wenn ich mich mitten reinstell ins Leben, in die Welt?
Wenn mir mehr zusteht, als die Krümel, die vom Tisch fallen,
unter dem ich unbemerkt bleiben wollend sitze?
Meine Existenz am Rande der Gesellschaft hin zur Mitte bewege?
Was, wenn ich sein darf, gesehen werden, gefunden werden?
Offen bin dann auch fürs Empfangen, für Geschenke?
Was, wenn das Leben mich sieht? Die Existenz? Alle Menschen?
Was, wenn ich aus der Deckung komme,
unter der Bettdecke hervor und das Leben feiern darf?
Es gar nicht stimmt, dass ich dann vereinnahmt werde,
einkassiert und jemand über mich bestimmt?
Was, wenn ich „da draußen“, bei anderen Menschen
auch mit mir und Gott sein darf?
Was, wenn es die Menschen gut mit mir meinen
und mein Sein respektieren, so wie ich das ihre,
ganz selbstverständlich?
Was, wenn mich Freude und Fülle nur erreichen können,
wenn es mich als Adressat überhaupt zu finden gibt?
Wenn ich DA bin. Offen.
Was, wenn mich die Menschen beschenken wollen
und ich es mir so lang verwehrt habe, weil ich einmal angefangen habe,
eine Lüge über sie zu glauben?
Ich mag mich reinstellen. Ich mag es wagen. Ich mag DA sein. Greifbar. Sichtbar. Berührbar. Beschenkbar. Empfänglich. Nahbar. Das Herz sperrangelweitoffen. Die Arme ausgestreckt. Das Gesicht der Sonne zu gewandt. Aufgerichtet. Ausgerichtet. Voll in der Verantwortung für meine Existenz.
Ich hab Angst. Ich hab Angst vor dieser Art der Begegnung ganz ohne Rüstung und Schutz. Ich hab Angst vor der vollen, echten Begegnung. Ich hab Angst, ganz aufzumachen. Und doch – es muss sein. Da geht’s lang. Mit Schnappatmung und ordentlich Respekt mag ich die Menschen an mich ranlassen mit dem Wissen, dass ich mich dabei selbst behalten darf. Ich wage es. Hier bin ich, ihr Menschen, bereit dazubleiben.
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Foto: Canva Text und Gestaltung: Anja Reiche
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