Dienstag, 13. August 2019

Liebe lebendig

Wow! Das Thema Partnerschaft ist gerade wieder so sehr im Feld. Wie ist denn Partnerschaft wirklich gedacht, also fernab von den alten Mustern, die wir vorgelebt bekommen haben?

Überall sehe ich Fragezeichen über den Köpfen von bewussten Paaren. Über meinem genauso. Was ist das denn noch, was wir da haben? Ist das wirklich noch Liebe oder einfach nur eine WG? Wie geht das denn, wenn jeder er selbst sein können soll und gleichzeitig auch Zweisamkeit und Nähe Platz haben sollen? Ist das überhaupt möglich? In einer Partnerschaft komplett bei sich bleiben? Gut für sich sorgen? Echt sein? Sich nicht für den anderen verlassen?

In den letzten Tagen habe ich mich wieder viel beobachtet, was das Thema angeht und glaubt mir, da kamen Facetten an mir hoch, auf die bin ich echt nicht stolz. Ich konnte mich teilweise selbst nicht leiden, so kratzbürstig, genervt und nörgelig war ich meinem Partner gegenüber, habe gezetert und gezerrt, war manchmal schon von seiner bloßen Anwesenheit genervt, fühlte mich gestört.

Eins war klar, DAS wollte ich nicht zum Ausdruck bringen. Ja, ich weiß, ich darf das alles, ich darf auch das sein. Ich darf wählen und hier geht es auch gar nicht darum, umliebsame Anteile abzulehnen. Nein, ich darf das. Keine Frage. Aber ich WILL das nicht mehr. Ich wähle es nicht mehr. Also, was war da am Wirken?

Mir wurde bewusst, dass da noch Erwartungen waren. Da waren noch die alten Muster, dass man ja viel zusammen machen muss, dass ich Rücksicht auf ihn nehmen muss, meinen Rhythmus an seinen angleichen muss. Ohne, dass er das je von mir erwartet hätte. Das war alleine meins. Seine bloße Anwesenheit hat mich dazu gebracht, dass ich mich verlasse. Dass ich da über kurz oder lang unzufrieden werde, ist kein Wunder. Allerdings ist nicht er das Problem, sondern der Müll in meinem Kopf.

Da liefen so Sachen wie, unbedingt zusammen frühstücken wollen, weil das ja so toll ist und dabei hatte ich noch überhaupt keinen Hunger. Stattdessen unfassbar viel Stress, morgens im Bad so schnell wie möglich fertig zu werden, dass ich auch rechtzeitig mit ihm am Tisch sitzen konnte. Um das zu machen, was ich eigentlich noch gar nicht wollte: Essen. Wie schizophren ist das bitte? Was habe ich von dieser gemeinsamen Zeit, von diesem gemeinsamen Essen? Ist das wirklich wertvoll? Fühlt sich das lebendig für mich an? BIN ich da lebendig?

Wenn ich mit anderen Menschen zusammen bin, die nicht mein Partner sind, dann ist es für mich mittlerweile selbstverständlich, dass ich total auf meine Bedürfnisse achte und danach handle. Mir würde es gar nicht einfallen, mir morgens im Bad Stress zu machen. Da sind um mich eigenständige Wesen, für die bin ich nicht verantwortlich. Da fügt sich schon immer alles. Ich sorge gut für mich und auf wundersame Weise passt das immer hervorragend mit den anderen zusammen. So fließen wir gemeinsam da hin und doch jeder für sich. Freiheit in der Begegnung. Nähe in der eigenen Angebundenheit. So entsteht wirkliche Nähe, ein lebendiges Wogen von selbst-bewussten Wesen, die in der Verbundenheit sind, in der Anbindung an sich selbst. Keiner verlässt sich für den anderen. Jeder ist sich selbst nahe und das ermöglicht überhaupt erst, die Nähe zu anderen.

Warum um alles in der Welt, sollte eine Partnerschaft anders funktionieren? Wieso sollten wir den Partner "verlieren", wenn jeder auf sich achtet, wenn jeder selbst für sich sorgt?

Ich darf mich in Zukunft wieder öfter fragen, ob das, was ich da gerade im Begriff bin zu tun, wirklich lebendig ist, ob ich da lebendig bin, ob das der Beziehung Leben gibt, ob das wirklich ehrlich ist, ob es das ist, was ich jetzt tatsächlich tun will, oder ob ich wieder glaube, es tun zu müssen, weil wir doch Zeit zusammen verbringen müssen. Weil sich das so gehört. Weil Beziehung halt so geht. Wenn Liebe lebendig sein soll, muss ich echt sein. Ich wünsche mir und dir, dass die Liebe lebendig bleibt, dass jeder einzelne lebendig bleibt. Liebe ist ALLES. Nähe und Distanz. Wogen wir mit.

Foto: Canva
Text und Gestaltung: Anja Reiche