Mittwoch, 10. Oktober 2018

Sein lassen heilt

Ich weiß nicht, was das für ein intensiver Prozess ist, die letzten Tage. Mal sehen, ob ich es in Worte fassen kann.

Nach Mallorca hatte ich quasi die Schlafkrankheit. Es fühlte sich so an, wie wenn ich die gesamte wilde Zeit dieses so ereignisreichen Jahres auf einmal "nachschlafen" müsste. Es ist wie eine extreme Erholungsphase auf der einen Seite und auf der anderen gleichzeitig ein noch mehr Loslassen, Hineinsterben, noch tiefer aufgeben, hingeben, zulassen.

Da findet nochmal wieder Heilung statt. Heilung dadurch, dass ich (wir?) noch mehr oder überhaupt erst das annehme, was kaputt ist. Dass ich es kaputt sein lasse, dass ich krank sein darf, dass da Symptome sein dürfen.

Bei mir sind es mal wieder die Zähne. Es fühlt sich an wie tatsächlich endlich den Kampf aufgeben. Da darf Karies sein (ohne zu wissen, wie da der genaue Sachstand wirklich ist), da dürfen Entzündungen sein, Nervenschmerzen, was auch immer. Es darf da sein. Es ist so richtig. Es gibt nichts zu kämpfen. Es ist ein Hineinsterben in genau das alles.

Es gilt nicht, die Gesundheit wieder herzustellen, indem ich die Symptome "heile". Es gilt die "Gesundheit" dahingehend wieder herzustellen, in dem ich heil = ganz werde in Form von "so darf es auch sein", in Form von "ich darf krank sein".

Sich das Kranksein erlauben, ist für mich die eigentliche Heilung. Auch das ist ein Teil des Lebens, Teil der Schöpfung, Teil meiner Schöpfung. Ich habe das Gefühl, dass ein HEILiger Raum entsteht, wenn ich nichts mehr verändern will, sondern es einfach so lassen kann.

Da geht eine Tür der Möglichkeiten auf, wenn ich mich komplett in die Krankheit hineinfallen lasse, mich ihr hingebe, die Welle über mir zusammenschlagen lasse, wenn ich mir erlaube, dass es so bleiben darf, ja, dass ich selbst sterben dürfte. Auch das wäre ok.

Wann haben wir angefangen, nicht mehr sterben zu dürfen? Wann wurde es falsch, diesen Aspekt des Lebens zu wählen? Denn der Tod, die Krankheit sind Aspekte des Lebens. Sie sind Teil der Fülle, Teil des reichen Buffets, von dem wir wählen dürfen. Da ist nichts falsch dran, nichts verwerflich.
Ablehnung erzeugt nur Stress. Wenn wir etwas vermeiden wollen oder als falsch einstufen, sind wir im Widerstand, sind wir im Kampf gegen das JETZT, gegen das, was vielleicht eh schon da ist.

Da lag ich also vor zwei Nächten im Bett und hatte Schmerzen. Die linke Kopfhälfte pochte, die Zähne oben und unten empfindlich wie sonst was. Und dann kam genau dieses tiefe Wissen, dass das jetzt so sein darf, dass ich nichts dagegen machen will, dass ich es einfach so lassen will, es fühlen, es annehmen, mich dem komplett hingeben, mir erlauben, dass es auch so bleiben darf, dass es mich verschlucken darf, dass die Welle mich mitreißen darf.

Ich bin einen Schritt beiseite getreten, hab aufgegeben, bin hineingestorben in all das, hab mich von Karies, Entzündung und Nervenschmerzen "auffressen lassen". Ich lag da und habe mich weit gemacht, habe mich bereit erklärt, alles endlich fließen zu lassen, was zu diesen Symptomen geführt hat, war bereit alles zu fühlen, was blockiert war.

Ich habe mich wieder als das gesehen, was ich bin: Ein Kanal, durch den das Leben fließt in all seiner Fülle, mit all seinen Facetten. Da gibt es kein gut oder schlecht. Leben ist. Gefühle sind. Erst wenn wir etwas nicht haben wollen, ablehnen, verurteilen machen wir uns eng, der Kanal geht zu, Energieblockaden entstehen und daraus Symptome.

Für mich ist die Frage deshalb immer: Was konnte/durfte hier nicht fließen? Was will in Fluss kommen? Und in dieser besagten Nacht war noch nicht mal das wichtig. Es brauchte nichts benannt zu werden, nichts verstanden. Es wollte nur zugelassen werden, da sein dürfen, durch mich durch.

Was passiert ist? Tiefer Frieden! Heilung auf einer Ebene, die mir gefühlt bislang verborgen geblieben war. Die Integration bislang abgelehnter Anteile. Ich bin wieder noch mehr vollständig, vollkommen geworden, in dem ich all das angenommen habe. Heil dadurch, dass auch Krankheit sein darf. Das komplettiert, das macht rund, heil, ganz.

Gefühlt ging es auch mal wieder gleichzeitig um die Ahnen, auch um deren Kampf, der damit beendet wurde und um das Kollektiv. Dieser Prozess findet gerade in so vielen statt. So viele lassen los, lassen zu, geben auf, geben das Bewerten und Kämpfen auf. So viele werden gerade von ihren Körpern, den Umständen an genau diesen Punkt geführt. Und das ist gut so.

Werden wir heil, indem wir krank sein dürfen. Werden wir groß, indem wir klein sein dürfen. Werden wir stark, indem wir schwach sein dürfen. Werden wir reich, indem wir arm sein dürfen. Fangen wir an zu leben, indem wir sterben dürfen. Der Kampf hat ein Ende.

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Foto: Canva
Text und Gestaltung: Anja Reiche