Sonntag, 2. Oktober 2022

Ich bleibe bei mir

Es kann nicht wahr sein, dass im Außen erst alles sicher sein muss, damit wir uns sicher fühlen können. Für mich ist es nie die Wahrheit, wenn etwas in mir denkt, dass "da draußen" etwas notwendig ist, damit in meinem Innen ein bestimmtes Gefühl da sein kann.

In letzter Zeit lese ich sehr oft Texte von Frauen, die sich den bewussten, präsenten Mann wünschen. Und auch ich habe in den letzten Wochen immer wieder gemerkt, dass da diese unfassbar große Sehnsucht ist. Aber ich komme immer wieder beim Gleichen raus: Es kann nicht wahr sein, dass der Mann erst in seiner Sicherheit, Größe und Stabilität da stehen muss, damit wir Frauen uns sicher fühlen und hingeben können. Ich bin sicher, auch in Begegnung mit einem Mann, der gerade nicht stabil sein kann.

Ich hab mich viel beobachtet, war eben viel in Begegnungen. Da ist die Tendenz, mich selbst zu verlassen, meine Fühler nur noch beim anderen zu haben, wenn ich merke, dass der andere sich gerade verlässt, unsicher ist, in seinen Themen, in seinem Schmerz. Und - Überraschung - gerade, wenn das bei Männern der Fall ist, dann bin ich fast augenblicklich nicht mehr bei mir. Ich bin dann selber unsicher, versuche irgendwie den Mann zu stabilisieren, um schließlich selber wieder bei mir sein und stabil sein zu können.

Es ist nicht meine Aufgabe den Mann zu stabilisieren. Es ist nicht meine Aufgabe, mich selbst zu verlassen. Ich kann bei mir bleiben, auch wenn der Mann nicht bei sich ist. Tatsächlich war zu beobachten, dass mein Mich-Verlassen die Unsicherheit des Mannes noch verstärkt. Es ist quasi ein Teufelskreis.

Dass die Stabilität des Mannes erforderlich ist, damit ich sicher bin, ist kindliche Logik. Das Mädchen hätte einen stabilen Papa in Bewusstheit gebraucht, um die Sicherheit zu erfahren, die das Leben an sich tatsächlich für uns bereit hält, ja. Ich habe damals aber schlicht angefangen, generelle Lügen über das Leben zu glauben, Lügen darüber, wie ein Mann sein muss, damit es mir gut geht. Das alles habe ich aus meinem begrenzten Horizont heraus erfunden.

Es geht für mich also um die Beziehung zwischen mir und dem Leben. Zwischen mir und Gott. Zwischen mir und der Schöpfung. Ja, zwischen mir und Jesus. Gott ist stabil. Gott ist sicher. Jesus ist stabil. Jesus ist sicher. Für mich ist ER die männliche Präsenz, die männliche Energie, in die ich mich hineinsinken lassen kann, der ich mich hingeben kann, von der ich mich nehmen lassen kann, von der ich mich erfüllen und führen lassen kann.

Mit diesem Bewusstsein kann ich bei mir bleiben, auch wenn Menschen, Männer sich im Kontakt mit mir verlassen. Ich bin sicher. Total sicher und getragen, ob der andere jetzt bei sich ist oder nicht.
Ich bei mir. Das ist alles, was es braucht für Sicherheit. Ich in der Verbindung mit Gott. Ich in der Verkörperung von Gott. Da höre ich mich, meine Bedürfnisse, meine Impulse. Da spüre ich das, was wirklich für mich stimmig ist. Was kann mir also schon geschehen?

Hätte Jesus sich verunsichern, beeinflussen lassen von Menschen, die sich nicht spüren? Ich schätze nicht. Und ich hab darauf auch keine Lust mehr. Ich bleibe bei mir, im Gottesgewahrsein. Mehr gibt es nicht zu tun.

Stell dir vor du bist Jesus. Wäre dann das, was dich gerade verunsichert, tatsächlich eine Bedrohung?



Foto: Canva
Text und Gestaltung: Anja Reiche