Freitag, 4. Oktober 2019

Opferbewusstsein ist gar nicht so schlecht...

Opferbewusstsein hat echt seine Vorteile. Ich meine das völlig ernst. Wir verkennen diese Qualität sehr oft. Sie verkörpert die absolute Hingabe und hat komplett ihre Daseinsberechtigung.

Sich einer höheren Macht unterordnen zu können, ist hervorragend. Wenn es eine wohlwollende, liebevolle Macht ist, perfekt.

Über Jahrzehnte habe ich damit zu tun gehabt, meinen lieben Freund Kontrolletti wieder "loszuwerden". Ich wollte Kontrolle. Ich wollte die Dinge selbst in der Hand haben. Ich wollte es alleine schaffen. Ich wollte keine Hilfe. Ich wollte mich auf niemanden verlassen. Zu oft wurde ich enttäuscht und verletzt. Ich wollte kein Opfer sein. Ich wollte keine Ohnmacht spüren.

Was bei so einer Haltung rauskommt, brauch ich euch wahrscheinlich nicht zu sagen. Es führt zu Verhärtung. Es führt zu massiver Anspannung. Es führt vor allem in die absolute Erschöpfung, weil dieser Zustand der dauerhaften Anspannung völlig unnatürlich ist.

Ich wollte alles, nur nicht mich hingeben, Vertrauen, andere machen lassen, Kontrolle abgeben. Um Gottes Willen. ICH muss doch die Geschicke leiten. ICH muss doch machen. Sonst wird das doch nichts. ;)

Auf der einen Seite unbedingt alles selbst machen wollen, auf der anderen Seite die totale Überforderung damit, weil wir das gar nicht können. Unser Verstand ist so dermaßen überfordert damit, wenn ER entscheiden soll, was für die Zukunft richtig ist. Er KANN es schlichtweg nicht.

So viele sind erschöpft von diesem "alles alleine machen wollen". So viele sehnen sich danach, sich ins Leben fallen lassen zu können. So viele haben keine Kraft und keine Lust mehr, selbst die Geschicke zu leiten. So viele sehnen sich nach dieser höheren Macht, nach dieser höheren Intelligenz, nach etwas oder jemanden, auf den wir uns blind verlassen können.

Wir wollen versorgt werden. Wir wollen an die Hand genommen werden. Wir wollen loslassen. Alles einfach sein lassen. So viele sind mit ihrem Latein am Ende.

Wenn ich jemandem, der schon immer alles alleine machen musste oder wollte, jetzt auch noch sage, dass er Schöpfer ist und die Dinge selbst in der Hand hat, dann macht das die Sache nicht angenehmer. Die Vorstellung Schöpfer zu sein, verursacht manchmal genau den Stress, auf den so viele keine Lust mehr haben. Jetzt muss ich ja doch wieder alles selber wissen. Doof!

Was für eine Pattsituation. Eigentlich ausgebrannt und völlig erledigt vom "alles alleine regeln", soll ich jetzt auch noch Schöpfer sein. Herzlichen Glückwunsch!

Ich hab mal eine Wahl getroffen und die fühlt sich immernoch herrlich an. Ja, ich bin Schöpfer. Ja, ich habe einen freien Willen. Ja, ich will mich gleichzeitig ins Leben fallen lassen und tragen lassen. Und das alles widerspricht sich kein bisschen. Mein freier Wille ist es nämlich, das zu wollen, was meine Seele will. Dieser höheren Macht und Intelligenz kann ich mich voll und ganz hingeben. Da finde ich das Vertrauen und die Sicherheit, nach der ich mich sehne. Da bin ich gut aufgehoben. Ich werde getragen und lenke gleichzeitig mit meinem Über-Ich die Geschicke.

Der Verstand kann sich zurücklehnen. Er ist nur gefragt, um das auszuagieren, was dieses Über-Ich will. Er muss nichts mehr wissen. Er ist lediglich "Befehlsempfänger".

Wir sind der Lenker (auf höherer Ebene) und der Gelenkte (als Mensch auf der Erde) zugleich. Meine Wahrheit ist es, dass wir hier in diesem Körper erfahren wollen, unsere Seele komplett zum Ausdruck zu bringen und dafür, dürfen wir uns unserer eigenen höchsten Intelligenz, unserem Bewusstsein, unserer Seele, unserem Über-Ich komplett hingeben. Wir dürfen das "Opfer" unserer Seele sein. ;) Mich entspannt das ziemlich.

Foto: Canva
Text und Gestaltung: Anja Reiche