Samstag, 26. April 2025

Dem Leben das gemeinte Leben ermöglichen

Manche Fäden ruhen. Es gibt gerade nichts zu tun in dieser Verbindung, in diesem Kontakt. Das heißt nicht, dass die Verbindung weg ist. Sie ist da. Sie ist. Die Fäden sind gespannt, verwoben. Da ist ein Netz zwischen uns, dir und mir, dir und anderen, zwischen so vielen, letztlich uns allen.

Es wird da gewebt, geknüpft, vertieft, wo das Leben es gerade braucht, wo der Teppich weiterwachsen soll. Da ist Aktion und sonst nirgends.

Manche Fäden ruhen lange, bis sie wieder aufgegriffen werden. Das ändert nichts an deren Wichtigkeit. Ein riesiger, großer, grüner Wandteppich, der einen roten Punkt als Kontrastelement hat, lebt quasi von diesem einen roten Punkt. Der Effekt wäre ohne den roten Punkt nicht da. Während des Webens wurden die roten Fäden allerdings nur kurz aufgegriffen. Sehr kurz im Verhältnis. Dennoch sind sie im Gesamtbild entscheidend.

Wenn Menschen Faden und Weber gleichzeitig sind, dann darf weise hingespürt werden, wann wer wem welchen Faden reicht. Welche Beweggründe sind tatsächlich da?

Will ich gerade weben und einen Kontakt aufgreifen, weil ich mich einsam fühle oder weil es wirklich dran ist? Will ich viele Fäden in der Hand haben, um mich verbunden, eingebunden zu fühlen, um mich nützlich und gebraucht zu fühlen? Werde ich nervös und zweifle ich an der Verbindung, wenn es lange nichts zu weben gab? Ist mir langweilig und will ich deswegen etwas tun oder gibt es tatsächlich was zu tun mit einem bestimmten Menschen. Tun im Sinne von "darf in dieser Begegnung gerade etwas geschehen". Will das Leben gerade etwas von/in dieser Verbindung? Gibt es tatsächlich etwas zu weben? Miteinander in die Welt zu bringen?

Ich muss gar nicht wissen, was das ist, was geschehen soll. Das wissen wir hinterher. Ich muss nur meinem reinen Impuls folgen und den Faden aufnehmen. Der Rest ergibt sich im Miteinander.

Ich meine damit auch keine großen Projekte - das kann auch sein - sondern eher zwischenmenschliche Schöpfungen. Wortgeschenke. Erkenntnisse. Teilen von Erfahrung. Gemeinsames Forschen, Fühlen, Weiterreichen, Vertiefen, Durchdringen, Empfangen.

Das kann in zwei Sätzen passiert sein und dann ist wieder ein halbes Jahr Funkstille. Das kann über Wochen, Monate, Jahre konstant da sein. Was immer die Verabredung ist. Was immer das Bild, das Muster im Teppich will.

Dieses Miteinander, dieses Weben der Lebensfäden ist für mich eine wahre Kunst und eine riesige Freude in der Begegnung, im Erleben dessen. Diese Art Verbindungen zu leben, erfüllt mich zutiefst. Es ist satt. Es ist wesentlich. Es ist kraftvoll. Essentiell. Die Essenz. Nichts verwässert. Kein künstliches Erzeugenwollen. Es ist pur. Es ist unberechenbar. Es braucht Gespür, Präsenz, Wachheit und größte Ehrlichkeit mit sich selbst. Vertrauen in den Prozess und die Impulse. Weichheit zum Mitfließen. Flexibilität und Spontanität. Berührbarkeit. Einlassen und loslassen können ohne Kontrolle. ES fließen lassen können. Durchlässig sein. Werkzeug, Wirkzeug und Werkstück gleichzeitig sein.

Ein mancher Faden wird nie wieder aufgegriffen werden. Manche wenige Male im ganzen Leben. Manche über große Zeiträume sehr oft und intensiv. Ich kann nie wissen, wie es wirklich weitergeht. Was das Gesamtkunstwerk erfordert. Ich muss es nicht wissen. Nur bereit sein. Ich hab nur den Moment. Dem muss und will ich folgen. Dem muss und will ich vertrauen. Dem mag ich mich hingeben. In jedem einzelnen Jetzt. Das ist für mich Genuss und Erfüllung. Der einzige Sinn, den mein Leben hat: Dem Leben das gemeinte Leben ermöglichen. Durch mich. Durch jedes einzelne Wir, das ich mit den verschiedensten Menschen bilde.

Lebenweberskunstgenuss. 😇🫂🙏🏼❤️