Sonntag, 24. März 2019

Einsam unter Menschen oder Sei bereit, genug zu sein

Irgendwie habe ich das starke Gefühl, dass im Moment das Thema Zugehörigkeit extrem präsent ist. So viele sehnen sich nach Heimat, nach Familie, nach Ankommen, nach Partnerschaften, nach Freundschaften. Und das nicht einfach irgendwo oder irgendwie, sondern wirklich echt. Wir wollen dazugehören mit allem, was uns ausmacht und nicht nur teilweise. Wir wollen komplett so sein wie wir sind und so vollumfänglich angenommen werden, dazugehören, sein dürfen, unter Gleichgesinnten sozusagen.

Wir haben schon so oft offensichtlich, scheinbar dazugehört. Da sind unsere Ursprungsfamilien, da sind Freundeskreise, da sind Arbeitskollegen, Sportvereine, Nachbarn. Zu all diesen Kreisen gehören wir irgendwie dazu und irgendwie doch wieder nicht. Kennt ihr das Gefühl von Einsamkeit, obwohl man unter Menschen ist? Man kann mitten in einer Gruppe von Menschen sein, die man alle kennt, mit denen man auch redet, sich austauscht und trotzdem gehört man nicht wirklich dazu, trotzdem dockt da nichts an. Irgendwas fehlt, vielleicht die Tiefe, vielleicht Offenheit, vielleicht hat ein ganz essentieller Teil von uns keinen Raum dort unter diesen Menschen. Vielleicht müssen wir einen Teil verbergen, ausblenden.

Auch ich habe kürzlich wieder diese Erfahrung gemacht. Einsam unter Menschen. Umgeben von mir bekannten Personen, die ich über Jahre kenne und dennoch stellt sich kein Gefühl der Zugehörigkeit ein. Das, was uns verbindet ist weit weniger als das, was wir eben nicht gemeinsam haben.
Einsamkeit ist generell ein krasses Gefühl. Es ist ein Verlassensein, ein Abgeschnittensein. Wir haben und fühlen keine Verbindung, keine Anbindung. Da ist eine scheinbare Trennung. Es ist eine Art Haltlosigkeit, ein Umhertreiben ohne Wurzeln. Es verunsichert und es ist eine Urwunde. So viele von uns haben als Kind die Erfahrung gemacht, dass wir so wie wir sind, nicht dazugehören können. Wir waren zu laut, zu leise, zu anstrengend, zu fordernd, zu empfindlich, zu unordentlich, zu unzuverlässig, zu faul, zu unlogisch, zu verträumt, zu aufmüpfig, zu wenig ehrgeizig, zu, zu, zu. Uns wurde vermittelt, dass wir erst anders werden müssen, um dazugehören zu können. Wir waren noch nicht "richtig".

Im Moment scheint unsere größte Sehnsucht zu sein, dazuzugehören eben und genau WEIL wir so sind wie wir sind. Wir wollen uns nicht mehr verbiegen, nicht mehr anpassen. Wir wollen einfach wir selbst sein und so irgendwo dazugehören. Und dann ist da diese Angst: Ist das überhaupt möglich? Ist es wirklich möglich, dass wir zu einer Gruppe dazugehören können, wenn wir einfach wir selbst sind? Können wir wirklich SO gemocht werden? Reichen wir? Genügen wir? Soll das wirklich gut genug für andere sein? Soll uns wirklich jemand einfach so gut finden? Ohne dass wir ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen? Ohne Anstrengung? Ohne Bedingungen?

Ich sage dir, ja, das geht. Ja, genau das reicht. Du reichst. Du bist genug. Du darfst einfach du sein und das genügt. Auch wenn du noch nicht oft oder vielleicht sogar noch nie diese Erfahrung gemacht hast, es ist möglich. Ziehe in Erwägung, dass es Menschen gibt, die genau DICH mögen können. Sei es ein Partner, seien es Freunde oder sei es ein Arbeitsumfeld. Es gibt sie. Für dich. Irgendwo bist genau DU richtig.

Sei kompromisslos du selbst. Stehe zu dem, was du bist. Zeige dich damit und öffne dich für den Gedanken, dass diese Menschen in dein Leben treten dürfen. Entscheide dich dafür, jetzt diese Erfahrung machen zu wollen. Mach, wenn nötig, mutig Türen hinter dir zu. Löse dich aus Verbindungen, die dir nicht mehr zuträglich sind, vielleicht nie waren. Schaffe Platz für Neues. Und dann schau neugierig zu, wie sich das Leben vor dir entfaltet. Halte Ausschau und sei bereit. Sei bereit in Verbindungen, in Beziehungen, in Freundschaften, komplett du sein zu dürfen. Sei bereit, für dein SoSein gefeiert zu werden. Sei bereit, genug zu sein.

Foto: Canva
Text und Gestaltung: Anja Reiche