Gefühle sind nicht logisch. Oder: Wenn es unlogisch wird, sind Gefühle im Spiel. Und damit meine ich Emotionen aus einer alten Verletzung heraus, die sich in einer Alltagssituation im Jetzt zeigen. Die sind alles nur nicht logisch in der gegenwärtigen Situation. Meist völlig "übertrieben", zu heftig für das, was wirklich passiert ist.
Dann kommen Argumente und Begründungen, Aktionen auf Sachebene. Ein Versuch zu erklären, warum das Gefühl gerade da ist. Oder der Versuch, das Gefühl zu vermeiden. Zum Beispiel Überforderung mit Nachfragen, Abklären, Informationen sammeln, abzumildern.
Für den, der gerade nicht in der Emotion ist, nicht angetriggert, erscheint das alles oft absurd und total unverständlich, unlogisch eben, manchmal sehr widersprüchlich.
Verläuft das Gespräch der beiden weiter auf Sachebene ist die Diskussion und wahrscheinlich dann auch der Streit perfekt. Auf Sachebene wird hier gar nichts erreicht. Auf Sachebene ist das Ganze extrem bizarr. Um die Sache an sich geht es nämlich genau Null Komma Null.
Es gab mal wieder viel zu beobachten die letzten Tage bei mir und Christian. Nämlich genau das. Und ich hab mich verführen lassen. Bin der Versuchung erlegen und hab logisch argumentiert, die Widersprüchlichkeiten benannt. Der Detektiv in mir war voll im Einsatz. Ich fühlte mich teilweise echt verarscht, für dumm verkauft, sah es fast als Beleidigung meiner Intelligenz, so offensichtlich war die nicht vorhandene Schlüssigkeit.
Ich wurde wütend, ironisch, sarkastisch, bissig. Fühlte mich ohnmächtig, weil ich anscheinend nicht deutlich machen konnte, wie absurd das Ganze ist. Zum Haare raufen - im wahrsten Sinne des Wortes. Alltag in meiner Kindheit.
Dann heute die Schlüsselsituation. Eine Kleinigkeit. Es ging ums Wäsche waschen. Weiße Wäsche. Meine Bitte, nur weiße Wäsche in die Maschine zu tun. Darauf Nachfragen und Aussagen von Christian, die mich mal wieder die Welt nicht verstehen ließen. Wo ich denn weiße Wäsche hätte, ich hätte doch in letzter Zeit gar nichts Weißes angehabt und wie ich mir das denn vorstelle. Die Bettwäsche wäre nicht weiß, sondern champagnerfarben. Ihm wäre das jetzt zu kompliziert. WAS?
Ich versuchte, dem zu folgen, zu antworten, zu erklären, zu verstehen. Vergeblich. Einfach alles unlogisch für mich. Ein Satz hat alles von einem Moment auf den anderen verändert.
"Dass es mir kompliziert vorkommt, ist nur ein Gefühl."
Bei mir hat es sofort einen Schalter umgelegt. Die Anspannung war weg. Ich habe verstanden, dass all die Fragen und Aussagen nur dazu gedient haben, die Überforderung zu mildern, klar zu kommen, das Gefühl wegzumachen mit Aktionen auf der Sachebene, mit Logik. Ein Unding.
Dann war da dieser Satz in mir: Gefühle sind nicht logisch. Der Versuch mit Logik bei aktiven Emotionen etwas bewirken zu können, kann nur scheitern.
Flashback in die Kindheit. Ich erinnere mich an unzählige haarsträubende Diskussionen mit meiner Mutter. Dachte damals, sie verkauft mich wirklich für dumm, missbraucht ihre Macht, treibt Spielchen mit mir, labt sich an meiner Ohnmacht, will mich demütigen. Natürlich hab ich ihr Verhalten auf mich bezogen und es persönlich genommen. Aus kindlicher Sicht nur natürlich.
Nun sehe ich mit dem Erlebnis von heute nochmal neu hin und erkenne, dass sie ausschließlich mit sich beschäftigt war und damit, ihre Gefühle zu vermeiden - mit Kontrolle über andere, mit unsinnigen Verboten oder Forderungen. Sie lieferte Begründungen und Argumente, die sich alle komplett widersprachen. Und das war ihr auch total egal, weil es eben nicht um die Sache ging, sondern einfach jedes Mittel recht war, um die Gefühle nicht fühlen zu müssen.
Die Groschen sind nur so gefallen. Das alles hallt noch nach wie ein Donnerschlag. Ich bin unfassbar dankbar für diese Erkenntnisse. Es kommt Frieden in das Kind, das ich damals war, in den Teenager, der eigentlich im Dauerkrieg mit der Mutter war.
Ich blicke auf so einige Begebenheiten zwischen mir und Christian nochmal ganz anders und verstehe plötzlich, habe Mitgefühl. Da ist Erleichterung und eben Dankbarkeit.
Mein Blick auf "Narzissmus" verändert sich mehr und mehr. Mehr und mehr sehe ich einfach Menschen mit tiefen Wunden, mit Verzweiflung, mit Bewältigungsstrategien, denen es gar nicht um die Unterdrückung oder Ausnutzung der anderen geht, sondern die so krass mit sich und Gefühlsvermeidung/-bewältigung beschäftigt sind, dass sie einen anderen gar nicht wahrnehmen.
Ich vermute, ich werde künftig anders hinschauen, wenn es unlogisch wird, werde nach dem Gefühl, der Not untendrunter schauen. Den Verstand beiseite stellen. Die Ebene wechseln. Vom Kopf ins Herz.
Und vorher war es unabdingbar, meinen aufgebrachten Teeny zu entdecken und da ein paar Dinge klarzustellen. Er wurde nicht verarscht. Er war von Menschen in krasser emotionaler Not umgeben. Das darf sacken.
Amen.