"Aufstehen, Krone richten, weitergehen!" Wer kennt diesen Spruch nicht? Ich bin für liegen bleiben. Definitiv! Vor allem jetzt in dieser Zeit.
Da darf einiges wieder ver-rückt werden, geradegerückt. Die meisten denken, dass sie es nur richtig machen, wenn sie durchhalten, ES schaffen, immer wieder die Kraft aufbringen, um weiterzumachen.
Wenn man krank ist, muss man schnell wieder gesund werden. Wir wünschen gute Besserung.
Wenn Wut, Angst, Ohnmacht, Kleinheit, Schuld, Scham, Enttäuschung, Trauer, Bedürftigkeit da ist, dann wollen wir das wegmachen. Wegtransformieren. Das muss irgendwann überwunden sein. Wir haben das Gefühl, etwas falsch zu machen, weil wir gerade nicht Licht und Liebe sind. Schnell wieder mit aller Gewalt auf Freude ausrichten, Dankbarkeit in den Fokus holen, positive Affirmationen runterbeten. Die Energie wieder anheben und dann oben halten, UNBEDINGT oben HALTEN.
Wenn wir destruktive Gedanken haben, uns Sorgen machen, der Verstand uns mal wieder einredet, dass wir nichts können und nichts wert sind, dann müssen wir diese Gedanken wegmachen, schnell an was anderes denken, sonst manifestieren wir uns nur Mist. Schnell was dagegen tun. Himmel, das muss doch mal besser werden mit dir.
Wenn wir uns dazu hinreißen lassen, Schokolade zu essen, zu rauchen, den Sport ausfallen zu lassen, auf der Couch liegen und zu nichts Lust haben, dann erzählen wir uns, dass wir nicht konsequent genug sind, dass das ja so alles nichts werden kann. Keine Displizin, du Versager!
Wir denken, dass wir die Krone nur dann aufsetzen können, wenn wir leisten, wenn wir uns zusammenreißen, wenn wir stark sind, wenn wir es schaffen immerzu fröhlich zu sein, gute Laune, Power, Tatendrang. Immer wieder aufstehen, den inneren Schweinehund überwinden, sonst verkommen wir.
Erstens liegt da ein völlig falsches Menschenbild zugrunde. Nämlich dieses veraltete aus dem deutschen Kaiserreich, das davon ausgeht, dass nur mit Druck, Zucht und Ordnung etwas aus dem Menschen wird. Einer muss das Sagen haben und die anderen ordentlich rannehmen. Der Mensch an sich ist nämlich faul und zu nichts zu gebrauchen. Nur mit Drill wird das was.
Dieses Menschenbild ist überhaupt nicht wahr. Der Mensch will sich aus sich heraus selbst erfahren. Er will seine Selbstwirksamkeit erleben, seinen Teil beitragen. Er hat einen eigenen inneren, ganz natürlichen Antrieb. Das glaubt aber fast keiner mehr.
Wir denken, wir verfallen in ewige Lethargie, wenn wir nicht die Arschbacken zusammenkneifen und uns selbst kasteien, uns Dinge abverlangen, die uns komplett widerstreben und unserer Natur schon gleich drei Mal. Wir haben Angst, tatsächlich die faule Sau zu sein, die so viele noch in den Menschen vermuten. Eben aus dieser alten Grundannahme heraus. Wir fürchten den allzeit prophezeiten Verfall.
Zweitens vergessen wir komplett, dass jedes Gefühl, jede Neigung, jede Phase, jede Stimmung zur Ganzheit dazugehört. Wir sind immer ALLES. Liebe ist die Summe aller Gefühle, nicht die Abwesenheit der unschönen. Ich bin auch Königin, wenn ich am Boden liege und weine. Ich bin nicht erst dann Königin, wenn ich wieder lachen kann und fröhlich bin.
Ich bin Königin und Göttin, wenn ich mich klein fühle und denke, dass ich nichts kann. Ich bin göttlich in meiner Wertlosigkeit. Ich bin göttlich in meinem Schmerz. Ich bin göttlich auf der Couch in meiner Erschöpfung. Ich bin göttlich, wenn ich Schokolade esse, rauche und mir Schweinsbraten reinschaufel. Ich bin göttlich in meiner unbändigen Wut. Ich bin göttlich, wenn ich am Boden zerstört bin und nicht mehr kann.
Da muss nichts weggemacht oder dran geändert werden. Es will verdammt nochmal einfach alles nur sein dürfen. Wir halten die Schwäche doch nur damit fest, dass wir sie nicht haben wollen. Nicht sie hält uns fest. Wir halten sie mit unserem Widerstand fest. So sieht's nämlich aus.
Ich darf liegenbleiben und mir da unten die Krone aufsetzen. Ich darf liegenbleiben und anerkennen, das daran nichts falsch ist. Viel mehr ist es sogar total richtig, weil ich mich eben gerade so fühle. Deswegen mache ich nichts falsch. Daran gibt es nichts zu verändern. Es darf sein. Es ist Teil der Göttlichkeit. Ich darf liegenbleiben und wissen, dass der Impuls zum Aufstehen von ganz von alleine kommt. Ich muss mich zu nichts zwingen, was ich nicht gerade auch wirklich so empfinde. Ich darf liegenbleiben, solange es mir gut tut und damit bin ich der größte König überhaupt.
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Foto: Canva Text und Gestaltung: Anja Reiche |