Ich
muss das Thema Sicherheit nochmal aufgreifen. Es drängt mich. So oft
höre ich: "Ich würde ja gerne, aber..." und dann kommen Argumente wie
die Verantwortung für die Kinder, das Geld, das gebraucht wird und das
nun mal von dir kommen muss, weil du Alleinverdiener bist, die
Verantwortung für die kranke Oma, die pflegebedürftige Mutter. Geld,
Sicherheit, Sicherheit, Geld, Verantwortung.
Egal, was ins Feld
geführt wird, die Aussage ist die gleiche: "Es geht nicht. Ich kann mein
Leben nicht verändern. Ich kann es mir nicht leichter machen. Ich kann
nicht machen, was ich eigentlich wirklich will."
Das Geld, die
Sicherheit, die wir damit verbinden, unser Pflichtbewusstsein gegenüber
anderen, das erfüllt werden will, das alles "brauchen" wir nicht
wirklich. Es sind die Gefühle, die wir nicht wollen, wenn wir das Geld
nicht mehr haben, wenn wir die Sicherheit nicht mehr haben, wenn wir
nicht mehr unsere vermeintliche "Pflicht" erfüllen und für andere
Sicherheit bieten.
Wir wollen die Ungewissheit nicht, die damit
verbunden ist. Wir wollen die Anteile in uns nicht, die wir damit leben
würden. Wir wollen nicht unzuverlässig sein, wir wollen andere nicht im
Stich lassen, wir wollen nicht schwach sein, wir wollen nicht versagen,
nicht klein beigeben, wir wollen kein Schmarotzer sein, wir wollen kein
Egoist sein, wir wollen nicht arm sein, wir wollen keine schlechte
Mutter sein, keine schlechte Tochter, wir wollen nicht undankbar sein,
nicht unlogisch, nicht faul, nicht unklar, nicht leichtsinnig, wir
wollen nicht derjenige sein, der andere enttäuscht, wir wollen nicht aus
der Reihe tanzen, wir wollen nicht auffallen, wir wollen nicht, dass
über uns geredet wird, wir wollen keinen Liebesentzug erfahren, wir
wollen keinen Konflikt mit unseren Mitmenschen, wir wollen nicht
unbequem sein, kein Quertreiber, wir wollen nicht anecken, niemandem auf
den Schlips treten, wir wollen nicht, dass wir nicht wissen, wie es
weitergeht, wir wollen es uns nicht zu leicht machen, wir wollen nicht
um Hilfe bitten, wir wollen nicht zugeben, dass wir es nicht alleine
schaffen, dass wir nicht mehr können, wir wollen im Gegenzug selbst
nicht enttäuscht werden.
Wir wollen nicht, wir wollen nicht, wir
wollen nicht und aus dieser Vermeidungsstrategie heraus sagen wir, dass
wir Sicherheit brauchen. Das ist nicht die Wahrheit.
Wir wollen
ganz oft nicht einsehen, dass wir Verantwortung tragen, die gar nicht
die unsere ist. Wir wollen nicht glauben, dass es irgendwo auf dieser
großen Welt mindestens einen Menschen gibt, der in einer ganz ähnlichen
Lebenssituation ist wie wir, der schon mal gekonnt hat, was wir nicht zu
können glauben. Irgendwo da draußen ist einer, der hat genau das schon
gemacht, was du so gerne würdest, aber angeblich nicht kannst.
Du kannst. Immer. Ende der Geschichte. Du kannst, du bist nur nicht
bereit die Konsequenzen zu erfahren. Und dann ist die Frage nicht, ob du
kannst, sondern ob du wirklich willst, ob du wirklich bereit bist für
alles, was deine Entscheidung bedeutet und nach sich zieht. Ob du bereit
bist, ALLES zu fühlen, was dann gefühlt werden will.
Die
Schnappatmung, die Unsicherheit, die Ohnmacht, die Minderwertigkeit, die
Schuld, die Scham, die Kleinheit, die Verzweiflung, die Ablehnung, die
Andersartigkeit, den Liebesentzug, die Angriffe, die Verurteilungen (die
eigene und die der anderen), die Schwäche, die Ungewissheit, die
Unklarheit, die Abhängigkeit, die Bedürftigkeit, den Schmerz.
Seinen Weg zu gehen ist wahrlich nicht immer Zuckerschlecken, so oft
kommt Gegenwind, so oft muss man für sich einstehen und ein klares NEIN
an andere senden, so oft erfüllt man nicht mehr die Ansprüche der
anderen, so oft wird es unangenehm. Keine Frage. Aber sag nicht, du
kannst nicht. Frag dich lieber, was du nicht fühlen willst, was du nicht
sein willst, was du vermeiden willst, dann bist du ehrlich zu dir.
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Foto: Canva Text und Gestaltung: Anja Reiche |