Nachdem ich den Post "Wir haben immer eine Wahl" geschrieben hatte, hatte ich dennoch den Eindruck, dass ich etwas noch nicht ganz erfasst hatte. Da war noch was drin für mich. Irgendwas schwang da noch mit, was ich noch nicht benennen konnte. Es kam mir so vor, wie wenn in der ganzen Diskussion darüber, dass man sein Leben immer selber in die Hand nehmen kann, dass man eben immer was machen kann, wählen kann, da irgendwie ein "Angriff" auf mich stattgefunden hat. Subtil, nicht ausgesprochen, zwischen den Zeilen.
Da war eine Aggression wahrzunehmen, die Neid ganz ähnlich ist und dennoch war auch das nicht das passende Wort. Da war irgendwie eine Missgunst. Wie wenn das größte Problem wäre, dass ich ja einen Partner an meiner Seite habe und daher leicht reden habe. Aber auch das hat es noch nicht ganz getroffen. Also habe ich weitergeforscht.
Das Kartenset von Chuck Spezzano "Karten der Erkenntnis auf dem Weg nach innen" hat dann endlich Licht ins Dunkel gebracht und mir eine fette Gänsehaut beschert. Jetzt hatte ich den Nagel auf den Kopf getroffen. Es war die Karte "Vergeltung".
Menschen, denen mal ein großes "Unrecht" passiert ist, in welcher Form auch immer, wollen manchmal gar nicht ihr Leben verbessern. Sie wollen einfach nur, dass es den anderen auch schlecht geht, damit sie sich dadurch besser fühlen können. Das Ziel ist dann nicht, zum Schöpfer zu werden, sondern Opfer zu bleiben, um denjenigen, der einem das Unrecht getan hat, weiter Schulgefühle einreden zu können. Frei nach dem Motto "Hättest du mir das damals nicht angetan, dann würde ich heute nicht so leiden. Sieh dir an, was du angerichtet hast."
Diese Menschen erleben immer wieder "Unrecht", Ungerechtigkeit und anstatt ihre Situation verbessern zu wollen, ist es ihnen lieber, da zu bleiben und zu leiden. Eine Verbesserung würde nämlich bedeuten, den "Täter" von damals aus der Verantwortung zu entlassen. Es gäbe keinen Grund mehr, dem anderen Schuldgefühle einzureden und damit wäre er ja ungeschoren davongekommen.
Weiterhin kann es nur schwer ertragen werden, wenn da Menschen sind, die scheinbar fröhlich und in Leichtigkeit durchs Leben spazieren. Denen soll es doch bitte auch schlecht gehen. Einfach nur aus Prinzip und weil das "gerecht" wäre.
Diese Haltung ist höchst selbstzerstörerisch. Rache und Vergeltung fallen am Ende immer auf den Aussender zurück. Autoimmunkrankheiten können die Folge sein oder gar Krebs. Der Körper richtet seine Energie gegen sich selbst, genau wie der Mensch.
Ich finde, dass dieses Phänomen der Rache wirklich schwer zu erkennen ist. Viele von euch fragen sich vielleicht manchmal, warum all die Versuche, zu helfen und die Dinge mit demjenigen zum Positiven zu wenden, scheitern. Vielleicht kennt ihr ein solches Verhalten aus euren Familien oder im Bekanntenkreis.
Mir hat dieses Verstehen richtig, richtig gut getan. So einige Situationen und Begegnungen mit Menschen, kann ich jetzt ganz anders beleuchten und vor allem, das Kind beim Namen nennen. Noch eine Facette mehr, warum manche Menschen so resistent gegenüber Hilfe sind. Warum Menschen für jede Lösung ein Problem ins Feld führen. Warum Verbesserung einfach nicht gewollt ist.
Es gibt Menschen, die wollen gar keine Lösung und das ist völlig in Ordnung. Sie dürfen bleiben, wo sie sind. Und wir dürfen uns umdrehen und gehen und die Leichtigkeit des Lebens feiern.
Text und Gestaltung: Anja Reiche |