Man wäre komisch geworden. Man wäre nicht fleißig genug. Man wäre überempfindlich, schwierig, anstrengend, kalt, würde dieses und jenes nicht richtig machen, zu wenig machen, zu viel machen. Man wäre unzuverlässig, ständig krank, zu nichts zu gebrauchen, egoistisch, würde sich anstellen.
Ständig "muss" man sich rechtfertigen, erklären, verteidigen. Muss man wirklich?
Ich bin früher auch immer wieder in diese Schiene gerutscht. Immer wieder hatte ich das Bedürfnis, mich zu erklären, fühlte mich angegriffen, missverstanden, völlig verkannt.
Und dabei gibt es da doch eigentlich überhaupt nichts zu erklären. Ich bin wie ich bin. Punkt. Trotzdem erschien es mir so wichtig, Dinge klar zu stellen, ins richtige Licht zu rücken. Ich wollte verstanden werden, wollte so sein dürfen, wollte angenommen werden.
Wer, wenn nicht ich sollte mir die Erlaubnis geben, so sein zu dürfen, wie ich bin? Diese Erlaubnis kann nicht von außen kommen. Niemand kann uns das abnehmen.
Umso selbstverständlicher mein "so sein" für mich wurde, umso weniger wollte ich mich erklären und - Überraschung! - umso weniger wurde ich angegriffen. Verrückt, oder?
Vielleicht finden diese scheinbaren Angriffe von außen ja nur statt, weil wir uns innerlich selbst angreifen, verurteilen, kritisieren? Vielleicht ist es gar nicht so sehr das Problem, was andere sagen, sondern dass ein kleiner Teil in uns befürchtet oder sogar sicher ist, dass sie recht haben? Vielleicht treffen diese Menschen ganz einfach nur zielsicher unsere Wunden?
Eins weiß ich mittlerweile sicher, angreifbar bin ich nur, wenn ich nicht zu 100 Prozent hinter mir stehe, wenn ich vielleicht noch versuche Anteile, Eigenarten, Gefühle von mir zu verbergen, auszumerzen. Wenn ich mir meiner komplett bewusst bin und zu mir stehe, dann kann mich niemand auf dem falschen Fuß erwischen.
Heute habe ich zum Beispiel überhaupt kein Problem mehr damit, zu erzählen, dass ich bis mittags im Bett war, an einem "Werktag" wohlgemerkt. ;) Früher hab ich mich nicht mal getraut, das meinem Partner zu erzählen. Ich hab mich fürchterlich geschämt. Und wehe, mich hat jemand drauf angesprochen. 😱 Heute kann man mir so ziemlich alles an den Kopf "knallen" und es macht (meistens ;) ) nichts mehr mit mir.
Das Problem ist wirklich niemals, was die anderen sagen, das Problem ist immer in uns. Wir fürchten, sie könnten recht haben. Sie holen Gefühle hoch, die wir lieber nicht fühlen würden. Das ist alles. Wenn wir in uns aufgeräumt haben, wenn wir klar mit uns sind, kann alle Welt reden was sie will.
Text und Gestaltung: Anja Reiche |