Sonntag, 31. Januar 2021

Ich will nur noch spielen

Hier gibt es keine lästige Pflicht zu erfüllen. Es geht im Leben nicht darum, in aller Ernsthaftigkeit, grau und abgestumpft zu frönen und einem anderen, übergeordneten Herren zu dienen. Es geht nicht darum, zu buckeln und sich möglichst anzustrengen. Es geht nicht um Leistung. Es geht um Entfaltung und Selbstausdruck. Es geht um Freude, Leichtigkeit, Erfüllung und Genuss.

Nun folge ich schon so einigen Jahren der Freude und mein Leben wurde leichter und leichter. Immer mehr hab ich ausgemistet im Hirnkaschtl und hab unzuträgliche Überzeugungen über Bord geworfen. Die letzten Tage hats mich nochmal eingeholt. Es wurde zunehmend "schwerer".

Da sind so viele Dinge, die mir Spaß machen, die ich erfahren will, die mich erfüllen. Ich liebe den inspirierenden Austausch mit meinen Mitforschern der Lichtfamilie, der mich jedes Mal noch mehr das Leben verstehen lässt, der mich zu so manchem Text anregt. Ich liebe es, was aus mir raussprudelt, wenn ich im Redefluss bin. Da kommt eine Perle nach der nächsten zum Vorschein, die mich oft selbst überrascht. Dann sind da Anfragen von außen für Coachings, für Projekte, für Zusammenarbeit. Meine schon verfassten Texte wollen endlich als Bücher in die Welt. Die ganzen Bilder, die ich kreiere, schlummern digital auf dem Rechner und dürften eigentlich auch irgendwie materiell werden. Es gibt so viele wunderbare Kommentare auf Facebook, auf die ich gerne antworten würde und manche davon, hab ich noch nicht mal gelesen, was ich auch gerne tun würde. Puh! ATMEN! Was ist denn jetzt dran?

Da stehe ich also und gestern wurde es so richtig schwer in mir. Ich fühlte mich von all dem schon fast erdrückt. Die Leichtigkeit war flöten. Mehr und mehr war da der Eindruck von Pflichterfüllung und Abarbeiten, To-Do-Listen abhaken. Und dann der Gedanke "Oh Gott, wie soll das werden, wenn ich noch bekannter werde? Wenn die Reichweite noch größer wird, wenn ich wirklich auf Bühnen stehe? Dann wollen ja immer mehr Menschen etwas von mir." Der Schluss lag nahe, dass ich dann doch lieber nicht noch bekannter werden will. Alter, was für ein Mindfuck!

Heute hab ich dem nachgespürt und - Überraschung - da war noch etwas Müll im System. "Wenn ich voranschreite, überfordert mich das Leben." (Interessanterweise zwickt das Knie wieder und ich kann eben nicht voranschreiten im Moment.🙈) Dann hab ich mich wieder an all den Rotz erinnert, der mir als Kind erzählt wurde. Als ich in den Kindergarten kam, als ich in die Schule kam, als ich konfirmiert hatte: "Jetzt kommt der Ernst des Lebens! Jetzt ist Schluss mit Spielen und Ausgelassenheit! Jetzt gilt es, Pflichten zu übernehmen. Du bist jetzt groß genug für dies und jenes." Mit jeder Entwicklungsstufe kamen mehr Lasten dazu, mehr Bürden, die mir auferlegt wurden. Es wurde schwerer und schwerer.

Wer will denn da noch erwachsen werden? Wer will denn da noch gerne "Verantwortung" übernehmen für sich und sein Leben, was erstmal vorrangig gleichgesetzt ist mit Pflichterfüllung für andere? Darauf hat doch niemand wirklich Bock, mein inneres Kind schon gar nicht. Es war noch da dieses Kind von damals, das die Schnauze von all dem gestrichen voll hat. Verweigerte den "Dienst". Es streikte. Fronarbeit ausgeschlossen. Und das kann ich total nachvollziehen.

Nur ist die Lage jetzt ein bisschen anders. Ich bin frei, diene keinem anderen Herren mehr außer mir selbst. Ich kann tatsächlich wählen. Ich MUSS überhaupt nichts mehr. Die Fülle von Möglichkeiten, die mich die letzten Tage so überwältigt hat, besteht nur aus wundervollen Dingen - eigentlich. Nun entscheiden Nuancen darüber, was ich davon wirklich tue und was nicht. Es ist eine Challenge, denn es gilt so fein hinzuspüren, was jetzt tatsächlich dran ist, was ich wählen möchte. Eine komplett neue Situation. Früher war es eine Entscheidung zwischen "Not und Elend". 😉 Jetzt wähle ich vom übervollen Genuss-Buffet.

Meine Kleine hat sich trotzdem bedrängt gefühlt. Sie hat Angst, dass sie sich wieder selbst verliert und verraten muss, dass sie wieder Dinge tun muss, für andere, die sich für sie nicht leicht anfühlen. Heute habe ich ihr versprochen, dass wir nur noch spielen und das Leben feiern. Und alles, was sich nicht 100% nach Spielen anfühlt, was die Zellen nicht britzeln lässt, lassen wir sein. Entweder Ganzkörper-Ja, oder wir fangen gar nicht erst damit an.

Das Leben zu spielen, will auch echt gelernt sein. Als ehemals hauptberuflicher Bedürfniserfüller, die Erwartungen von anderen zu enttäuschen, ist eine Herausforderung. Geile Projekte absagen, weil andere eben noch geiler sind - ebenfalls eine Herausforderung. Nun gilt es auch NEIN gegenüber Herzmenschen zu sagen. Puh! Nochmal ATMEN! Eine randvolle Pralinenschachtel vor sich liegen zu haben, jede einzelne Sorte prinzipiell zu mögen und gleichzeitig zu wissen, dass man nicht alle essen kann, verlangt weise Entscheidungen. 😉 Das ist Rosinenpicken auf höchstem Niveau.

Wer hätte gedacht, dass das mal zur Challenge wird, dass das Leben mal so schön sein würde, dass ich nur noch zwischen wundervollsten Dingen wählen kann und dass es mal so viel Angebote gibt, dass ich gar nicht alles annehmen kann? Wow! Das ist dann wohl ein Luxusproblem, wie ich es noch nie hatte. Und offensichtlich kann man sich auch in Luxus verlieren. Hui! Was für eine Zeit!

Wie heißt es immer so schön? Wenn du keine Zeit hast, mach unbedingt eine Pause. DAS ist mal wirklich weise.

 
Foto: Canva
Text und Gestaltung: Anja Reiche