Dienstag, 7. Januar 2020

Ich bin ent-schuldigt!

Wow! Es zeigt sich wirklich ALLES, in einer Dichte und Schnelligkeit, was auch nur ansatzweise noch hinderlich sein könnte, für ein freies, leichtes Leben.

Vor wenigen Tagen habe ich die alte Überzeugung in mir gefunden, dass ich verwantwortlich dafür bin, dass Beziehungen funktionieren. Ich muss Verständnis haben. Ich muss mich kümmern. Ich muss mich anstrengen. Ich muss mich interessieren, den Kontakt pflegen. Ich muss mich verrenken und mir ein Bein ausreißen.

Heute wurde mir der Umkehrschluss bewusst und auch diese Überzeugung scheint wohl noch in meinen Zellen gespeichert gewesen zu sein: Wenn eine Beziehung dann nicht funktioniert, bin ICH schuld. Logisch, wenn ich dafür sorgen muss, dass Beziehungen funktionieren, bin ich auch dafür verantwortlich, wenn sie nicht funktionieren.

Die Tragweite wurde mir eben erst klar. Es geht um Schuld. Es geht um das Mädchen, das schuld daran war, dass keine Nähe zur Mutter möglich war. Wenn es Streit gab, war ich das Problem. Ich war zu anstrengend, zu empfindlich, zu kalt, zu anspruchsvoll, zu kleinlich, zu kompliziert. Schwierig eben. Wenn es irgendwie zwischen mir und meiner Mutter Spannungen gab, dann war ich schuld. Folglich hatte ich gespeichert, dass ich auch schuld bin, wenn jegliche andere Beziehung nicht funktioniert.

Als mir das gerade aufging, hat mein ganzer Körper reagiert. Da will Schuld aus den Zellen entlassen werden. Da schreit etwas nach Befreiung. Ich darf mein inneres Kind entlasten, ent-schuldigen. Es hatte nie den Hauch einer Chance, es richtig zu machen. Es konnte nur scheitern.

Und tatsächlich habe ich damals jede Diskussion, jeden Konflikt "verloren". Meine Mutter hat sich nie entschuldigt, nie zuzugeben, dass sie etwas falsch verstanden hat, dass sie sich z. B. versprochen hat. ICH war das Problem. Ich war/bin schuld, dass wir keine Nähe haben können. ICH muss die Mauern einreißen. ICH muss meine Hausaufgaben machen. ICH muss endlich verstehen, einsehen und zulassen, dass sie mich ja so sehr liebt. Ich lass mich ja nur nicht lieben. Wenn ich anders wäre, wäre endlich alles gut.

Sie liebt mich nicht im eigentlichen Sinne. Sie liebt nur die Version von mir, die sie beliefert, die sich kümmert. Die will sie wieder haben. Die, die funktioniert. Sie liebt nicht die, die ich bin, die gut mir für MICH ist. Sie liebt die Version, die gut für SIE ist. Alles andere zählt nicht. Was ich will, mag, was mich begeistert, zählt nicht. Es zählt nur das, was für sie dabei rausspringt. Die Menschen in ihrer Umgebung werden nur danach gescannt, in welchem Maß sie liefern können, ich welchem Maß sie nützlich sind. Sie sieht keine Menschen, sie sieht Bedürfniserfüller.

Mir geht es nicht darum, zu schimpfen, zu verurteilen, zu jammern oder mit dem Finger auf sie zu zeigen. Keineswegs. Mir geht es darum, noch tiefer für mich zu begreifen, was mein inneres Kind damals angefangen hat zu glauben und diese Illusionen zu entschleiern. Es tut mir gut, mir nochmal klar zu machen, dass ich nie eine Chance hatte, dass ich nicht schuld bin, dass ich mich eben nicht mehr hätte anstrengen müssen. Diese Ent-schuldigung mir selbst gegenüber tut gut.

Ich finde es so krass, dass das alles jetzt nochmal hochkommt. Ende 2013, Anfang 2014 habe ich das erste Mal von Narzissmus gehört und mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Seither ist mir so viel klar geworden und ich bin heiler und heiler geworden, habe die Dinge rückblickend in neuem Licht gesehen. Was für eine Wohltat. Das Thema hatte immer weniger Ladung.

Anscheinend führt meine Spirale der Entwicklung jetzt noch einmal daran vorbei und ich darf wieder draufschauen, wieder aus einer neuen, noch weiter ent-wickelten Warte, mit noch mehr Abstand und Reife.

Ich darf die Schuld aus meinem System entlassen, die Illusion der Schuld. Ich darf mein inneres Kind freisprechen. Ich darf mich freisprechen. Ich darf mich begnadigen.


Foto: Canva
Text und Gestaltung: Anja Reiche