Mittwoch, 29. Januar 2020

Gegen den Schmerz kämpfen, heißt gegen mich kämpfen

Der Schmerz will anerkannt werden. Er ist nicht unser Feind. Seelischer wie körperlicher Schmerz muss nicht weggemacht werden. Er will in unser Herz genommen werden, anerkannt werden, integriert werden.

Gerade was körperlichen Schmerz angeht, kann ich wirklich ein Lied davon singen. Heftige körperliche Schmerzen sind so fies und unangenehm, so Kräfte zehrend und manchmal unerbittlich, zermürbend, aufreibend. Manchmal kommt sogar Todessehnsucht. Wir fühlen uns ohnmächtig, ausgeliefert, werden wütend, sind verzweifelt.

Ich habe gekämpft. So oft, so lange, vergebens. Gegen etwas kämpfen kann nur zu noch mehr Schmerz führen. Für Frieden kämpfen ist immer noch kämpfen.

Vorhin bin ich dem körperlichen Schmerz auf geistiger Ebene begegnet und habe ihn gefragt, was er von mir will. Die Antwort war sofort da. Er will in mein Herz. Er will geliebt werden. Integriert werden. Da sein dürfen. Er will als meine Schöpfung, als Teil von mir anerkannt werden.

Ich hab so sehr geweint, als ich bemerkt habe, wie sehr ich ihn all die Jahre abgelehnt habe, wie ich mich dagegen gewehrt habe und mir erzählt habe, dass erst alles gut ist, wenn diese Schmerzen aufhören.

Der Schmerz gehört dazu. Der Schmerz braucht Raum. Der Schmerz hat seine Berechtigung. Und er ist nichts, was plötzlich über uns kommt, sondern er ist unser Baby. Oft ist er auch die Notbremse, die wir brauchen, weil wir nicht auf unser Innerstes gehört haben. Wie oft hat mich der Schmerz schon aus Situationen geholt, in denen ich eigentlich nicht sein wollte, aber nicht den Mumm hatte, das auch zu äußern.

Der Schmerz ist meine Kreation, meine Schöpfung. Er ist nichts Getrenntes von mir. Er ist ich. Gegen ihn kämpfen heißt gegen mich kämpfen.

Der Schmerz darf wieder Platz haben in meinem Leben. Ich darf mich damit zeigen. Es ist völlig in Ordnung, wenn er da ist. Ich hab deswegen nichts falsch gemacht. Ich muss nicht immer alles im Griff haben und sofort wissen, was zu tun ist, damit er geht. Ich bin mit Schmerzen heil, ganz, wenn ich sie in mein Herz nehme, annehme und wieder zu mir nehme. Mehr wollte mein Schmerz vorhin nicht.

Ich merke, dass das für mich auch für psychischen Schmerz gilt. Er braucht unbedingt Raum, seinen Platz. Eine Freundin hat es neulich so hervorragend auf den Punkt gebracht. Sich den Schmerz schön reden und nur das Gute darin sehen, hält uns genauso im Schmerz, wie das Versinken im Selbstmitleid und das ständige im Schmerz baden. Es braucht den Mittelweg.

Meine Wahrheit ist, dass der Schmerz von alleine geht, wenn er ausreichend da sein durfte. Er darf so lange bleiben, wie er will. Die Dinge fallen von alleine in die göttliche Ordnung, wenn sie den Raum dazu haben und anerkannt werden.

Foto: Canva
Text und Gestaltung: Anja Reiche