Donnerstag, 5. Dezember 2019

Lass es doch einfach mal gut sein

"Lass gut sein. Lass ES gut sein. Lass DICH gut sein."

Diese Worte habe ich gestern in einem Kommentar an jemanden gerichtet. Und sie sind so viel tiefer als man auf den ersten Blick denkt.

Wenn ich etwas gut sein lasse, dann hat sich an den Umständen nichts geändert. Ich treffe lediglich die Wahl, dass es jetzt einfach gut ist. Dass ich aufhöre, irgendwas verändern zu wollen. Ich lasse ES sein. Und ich lasse es nicht nur sein im Sinne von "ich mache nichts mehr". Nein, ich lasse es GUT sein. Ich entscheide mich dafür, dass jetzt GUT ist, was bis vor fünf Minuten augenscheinlich noch nicht gut war.

Nirgends wird es deutlicher als da, dass alles nur eine Frage der Einstellung und des Blickwinkels ist. Alles nur eine Entscheidung entfernt.

Seit ich diesen Kommentar gestern geschrieben habe, sind mir die Sätze immer wieder in den Kopf gekommen. Auch und gerade im Zusammenhang mit der Weihnachtszeit. Da sind wir auch ganz plötzlich in der Lage, Dinge einfach gut sein zu lassen.

Auf einmal ist da der Weihnachtsfrieden. Es werden für ein paar Tage keine Mahnungen verschickt, keine Diskussionen angefangen. Wir sind nachsichtiger. Wir können für kurze Zeit all unsere Sorgen vergessen und in den Tag hineinleben, ja sogar Kriege werden unterbrochen, weil Weihnachten ist.

In keiner Jahreszeit wird Genuss, Geborgenheit, Frieden, Nächstenliebe, Wärme, Nachsicht, Liebe, Milde, Fülle und Gelassenheit so groß geschrieben wie an Weihnachten. Wir schlemmen, ohne auf die Kalorien zu achten. Wir spielen und toben wie die Kinder. Wir machen Sachen, die wir das ganze Jahr nicht tun: aufwändige Kekse backen, singen, Braten schmoren, musizieren, Gesellschaftsspiele, puzzeln, schlittschuhlaufen, Schneemänner bauen, Schneeballschlachten, Lesen vor dem Kamin, Kakao und Glühwein.

Ja, schon klar, im Sommer kann man nun mal keinen Schneemann bauen und Eisbahnen gibt es auch keine, aber die Stimmung ist einfach eine ganz andere. Weihnachten ist da mehr Leichtigkeit und Glanz. Da ist plötzlich Platz für Wunder. Auf einmal sind so viele offen für Magie und das scheinbar Unmögliche. Wir werden wieder zum Kind. Wir sind gelassener. Großzügig. Wir lassen einfach mal die Ernsthaftigkeit weg, weil es anscheinend in der Adventszeit gesellschaftstauglich ist, so leicht-sinnig zu sein.

Alles, was das ganze Jahr undenkbar scheint, geht auf einmal und nur, weil man eine Entscheidung getroffen hat, die Entscheidung, dass es jetzt einfach mal gut ist.

An unserer Situation hat sich an Weihnachten überhaupt nichts verändert. GAR nichts. Und dennoch sind wir in der Lage, zu beschließen, dass wir uns für ein paar Tage keine Sorgen machen. Verrückt. Und: Es funktioniert.

Noch verrückter ist es allerdings, dass man nach den Feiertagen wieder mit all dem alten Mist anfängt, mit dem Rennen und Hetzen, mit den Sorgen, mit der Schwere, mit den Themen, die man noch bearbeiten muss, mit dieser bleiernen Ernsthaftigkeit.

Was an Weihnachten geht, geht auch das restliche Jahr. Wer hätte das gedacht? Wir können jeden Tag die Wahl treffen, dass es gut ist, dass WIR gut sind. Wir können uns jeden einzelnen Tag auf das Wesentliche besinnen, die Leichtigkeit wählen, den Leicht-Sinn, die Ausgelassenheit, die Fülle, den Genuss.

Für mich ist eins klar: Dieses geborgene Gefühl, das ich im Moment so extrem habe, dieses Gefühl der Heimat in mir, diese Sorglosigkeit, die ich aus Kindertagen kenne, die an Weihnachten so einfach Einzug hält, die behalte ich.

Für mich ist im Herzen das ganze Jahr Weihnachten. Dieses Lebensgefühl ist es, was ich jeden Tag wähle. Für mich ist es jeden Tag gut. Ich lasse es jeden Tag gut sein.



Foto: Canva
Text und Gestaltung: Anja Reiche