"Ich finde Sterben nicht dramatisch." Der Satz war gerade da. Von mir. In einer Unterhaltung per Chat. Es war ein Geplänkel, witzig, hin und her.
Eine Einrichtung hat heute wegen Personalnot (deren Wort dafür) zu. Ich fand die Formulierung krass. Christian schrieb "besser Not als tot". Daraufhin erwiderte ich "vielleicht Not wegen tot" und er meinte mit einem Zwinkersmiley, Drama wäre ja sonst eher seins.
Und dann war da dieser Satz von mir. Sofort. Ich finde Sterben nicht dramatisch. Er ist zutiefst wahr für mich. Sterben ist völlig in Ordnung. Sterben im Sinne von: Den Körper verlassen. Die Form ändern. In die geistige Welt eingehen. Also im Grunde (wo) anders weiterleben.
Es ist für mich schlicht ein Übergang. Ein Wechsel der Ebenen. Alles, was zu diesem Wechsel "führt", ihn auslöst, ist für mich total legitim. Ein simpler, stiller, letzter Atemzug. Eine sogenannte "Krankheit", ein Unfall, eine freie Entscheidung. Andere äußere Umstände. Für mich stimmt jeder Weg und jede Wahl.
Meine tief gefühlte Wahrheit ist, und sie wurde mir von Seelen von "Verstorbenen" bestätigt (inklusive einer "Kinderseele", die abgetrieben wurde), dass immer alles stimmt, keine Seele vor ihrer Zeit geht. Dass es kein Scheitern gibt. Dass es kein "gegen eine Krankheit den Kampf verloren haben" gibt. Es gibt kein "der Mensch sollte noch hier sein". Kurz gesagt, es gibt daran und darin keine Fehler. Es ist aus höherer Sicht immer alles richtig.
Natürlich kann ich den Schmerz und die Trauer verstehen, den Schock, die Wut, die Ohnmacht und all die anderen Gefühle, die bezüglich dessen auftauchen können. Sie wollen gesehen und anerkannt werden. Die menschliche Erfahrung ganz gefühlt werden. Keine Frage. Ich will hier keine Gefühle wegreden. Auf keinen Fall. Und gleichzeitig sehe ich, wie viel Leid daraus resultiert, dass ein fettes Nein zu den Umständen und Tatsachen da ist, ein großer Widerstand, ein Kampf dagegen, ein "es anders haben wollen", es verhindern wollen, es als falsch betrachten.
Vor Jahren hab ich einen Text geschrieben mit dem Titel "Wann haben wir aufgehört, sterben zu dürfen?" Ich liebe diesen Text noch heute. Schon alleine die Überschrift sagt alles. Hier kommt keiner lebend raus. Also schon lebendig im Sinne des ewigen Bewusstseins, aber halt nicht mit einem lebenden Körper. Das Tod ist bei der Geburt schon inklusive. Das hat aber irgendwie fast keiner auf dem Schirm. Leben und Tod gehen Hand in Hand. Sie sind Geschwister.
Der Körper ist eine Leihgabe für gewisse Erfahrungen, die nun mal nur mit Körper gehen und das können mitunter krasse Erfahrungen sein. Hergeben müssen wir ihn allemal. So wie wir nun mal alles Materielle hierlassen müssen. Sterben üben noch zu Lebzeiten, Hingabe und Loslassen, macht für meine Begriffe ein Leben vor dem Tod erst möglich. Den Tod anerkennen als unabdingbaren, erforderlichen Teil des Lebens, mit allen Gefühlen und Phasen, ist im Grunde ganz undramatisch.
Leben ist. Der Tod ist. Mehr nicht. Weniger auch nicht.
Da bleibt also die Frage, wer in dir wehrt sich dagegen? Welcher Anteil will es anders haben? Wer in dir ist im Widerstand? Wer will festhalten? Wer verurteilt die Umstände? Diese Anteile wollen gesehen, gefühlt und geborgen werden. Da ist der Tod eine wunderbare Gelegenheit, selber zu heilen. Der Tod bringt Leben.