In der "spirituellen Welt" ist es ein weitverbreitetes, ausgemachtes Ziel, das höchste Ziel überhaupt: Das Ego muss weg. Das Ego ist die Wurzel allen Übels. Das Ego ist der erklärte Staatsfeind Nummer eins. Ist das Ego erst weg, ausgelöscht, besiegt, dann können wir in Frieden leben, sind erleuchtet und nur noch Licht und Liebe.
Für mich der größte Schwachsinn aller Zeiten und einer der größten Ursachen für Leid, Unzufriedenheit und Stress. Der Versuch, das Ego loszuwerden, ist ein Kampf gegen uns selbst. Ego = Selbst, ich.
Wir sind hier auf diese Erde gekommen, weil wir uns individualisieren wollten. Wir haben uns vom großen Ganzen "abgetrennt", vom All-Bewusstsein, um zu erleben, dass wir Einzelwesen sind. Gleichzeitig sind wir immernoch und jeden Moment Teil vom Ganzen. Die Verbindung ist deswegen nicht weg. Wir leben im Paradoxon. Wir sind Individuen und gleichzeitig alle eins.
Wenn wir jetzt anfangen, eine Seite der Medaille zu bekämpfen, nämlich das personifizierte Selbst, dann kann das nur im Leid enden. Wir SIND dieses Selbst. Wir wollten dieses Selbst sein. Wir wollten einzigartig sein. Einen jeden von uns gibt es kein zweites Mal, selbst Zwillinge haben Unterschiede. Genau darum ging es uns, als wir uns die Erde als Spielwiese ausgesucht haben. Es gibt nämlich nicht sehr viele Planeten auf denen das geht. Und jetzt würden wir hergehen und genau das falsch finden? So ein Quatsch!
Aus meiner Sicht geht es um etwas ganz anderes. Das Ego muss nicht weg. Das Ego möchte sich entwickeln, es möchte reifen. Wir möchten reifen. Darum sind wir angetreten. Selbst-verwirklichung, Selbst-liebe, Selbst-entwicklung.
Das Ego, das Selbst, es ist so wundervoll. Diese Einigartigkeit ist es doch, die die Welt so bunt und großartig macht. Ganz ehrlich? Ich liebe mein Ego, mein Selbst. Und ich glaube danach sehnen sich so viele Egos. Sie wollen nicht bekämpft werden. Sie wollen geliebt werden.
Es ist ein Ausdruck von Reife, wenn das Ego wieder seinen Platz hat, wenn wir anfangen und uns erlauben, dieses Selbst zu haben, dieses Selbst zu sein. Dieses Hin und Her, dieses Wogen, zwischen dem All-Sein und dem Eins-sein, einzeln sein, ist so ein wundervolles Spiel. Wir können hier in diesem Körper beides erleben, gleichzeitig, abwechselnd, wie uns beliebt. Ist das nicht wundervoll?
Fangen wir an, unser Ego zu feiern. Fangen wir an, unser Ego zu lieben, genauso wie wir die Verschmelzung mit allem, was ist, lieben. Es ist nicht nur das eine gut und erstrebenswert. Es ist beides völlig in Ordnung, ja sogar gewünscht.
Das Leben erlebt sich nun mal nur durch einzelne Wesen. Die Schöpfung erlebt sich durch einzelne Schöpfer. Wir sind Schöpfung und Schöpfer gleichzeitig. Feiern wir unsere Individualität, unsere Bedürfnisse, unsere Eigenheiten, unsere Gefühle, unsere Gaben, Talente und Schwächen, unsere unendliche Schöpfermacht, unsere Winzigkeit im Universum, eben ALLES, gleichzeitig. Und damit feiern wir das Leben selbst. Hören wir auf gegen uns selbst zu kämpfen, gegen einen Teil von uns, gegen die Individualität, das Leben selbst, das ist so unheilig, unnötig und völlig unspirituell.
Lassen wir unser Ego nicht sterben, sondern erfüllen es lieber mit Leben und Liebe. Lassen wir es lieber reifen, wachsen, sich ent-wickeln, immer weiser werden, immer liebevoller, immer höher schwingend, lichter, leichter, durchlässiger. Das ist alles, was es hier zu tun gibt. Die Erde ist ein Reifeplanet. Nutzen wir die Chance.
(Danke Shafiya Caroline Yao für die Inspiration zu diesem Text.❤️)
Foto: Canva Text und Gestaltung: Anja Reiche |