Mittwoch, 15. Mai 2019

Wer bin ich ohne all das, was ich nicht bin?



Wer bin ich ohne all das, was ich nicht bin? Was bleibt übrig, wenn immer mehr von dem wegfällt, was mich nicht ausmacht, was nicht mehr stimmig ist?

Was fange ich mit dieser Leere an? Was hält mich? Was trägt mich? Was macht mich aus? Welchen Sinn hat meine Existenz?

Bin ich kalt, wenn ich nicht mehr in das Leiden der anderen einsteige? Bin ich emotionslos, wenn alles sein darf und die Gefühlswallungen ausbleiben, wenn jemand stirbt, wenn jemand krank wird, wenn sich jemand von mir trennt, wenn ich etwas "verliere", wenn sich etwas oder jemand aus meinem Leben verabschiedet?


Ich bin tatsächlich emotionslos, aber nicht gefühllos. Die Emotionen, die Regungen, die durch andere oder etwas in mir angetickt werden, die Wallungen, die Aufregung, der Aufruhr, das NEIN zu dem, was ist, das ist weg.

Mitgefühl, eigene, tiefe Gefühle aus mir selbst heraus sind noch da. Ich werde nicht mehr fremdbefühlt. Ich fühle nur noch meins, nur noch mich, das,was wirklich zu mir gehört.

In diesem Auge des Orkans ist es still und ich kann tatsächlich MICH fühlen, meine Bedürfnisse, meine eigenen Impulse, keine auferlegten.

Diese Stille macht manchmal Angst. Diese Freiheit macht manchmal Angst. Da sind keine Einflüsse mehr von außen, die wirklich relevant wären. Da ist niemand mehr, der dir sagt was du den lieben langen Tag tun sollst, was sich gehört und was nicht. Plötzlich darfst du entscheiden. Da erfolgt keine Re-Aktion mehr, sondern da ist Aktion gefordert.

Ich stehe da, egal, was um mich herum geschieht und kann ruhig aus mir heraus agieren. Ich stehe da, auch wenn alles zusammenbricht und bin bei mir. Ich stehe da, gefasst und gelassen und kann klar entscheiden, was JETZT dran ist, für MICH. Das ist das einzige, was ich je wirklich entscheiden kann. Alle Eventualitäten von außen sind irrelevant. Ich bin angebunden, in meiner Mitte, an meine Wahrheit, an meine Impulse, an meine tiefste innere Weisheit.

Was wirklich übrig bleibt, wenn alles wegfällt, was ich nicht bin, ist himmlische Ruhe, eine unbändige Kraft, Klarheit, tiefer Frieden, Gelassenheit, ein großes JA zu allem, was ist, und ein inneres Reich, das so unfassbar groß und mächtig ist, auf das ich immer zugreifen kann.

Es bleibt die Stille, die es braucht, um im Feld zu lesen.
Es bleibt die Stille, die es braucht, um meine innere Stimme zu hören, die Weisheit des All-Bewusstseins, die mir in jeder Sekunde sagt, was es zu tun gilt, damit die Zahnrädchen dieser großartigen Schöpfung wunderbar ineinander greifen können, die Zahnrädchen für die ICH zuständig bin.

Es bleibt das Werkzeug, das ich für das Leben bin.

Foto: Canva
Text und Gestaltung: Anja Reiche