Mittwoch, 28. Juni 2023

Meine Verführung ist die Armut

Wir werden auf Herz und Nieren geprüft. Überall beobachte ich das. Es werden die süßesten Versuchungen hingelegt oder die Worst-Case-Szenarien ausgegraben.

Was braucht es, dass ich mich verlasse? Was braucht es, dass ich die Freude verlasse, vergesse, wer ich bin und worin ich eingebettet bin? Was braucht es, dass ich meinem Ruf nicht mehr folge, dem, der in jeder Sekunde da ist?

Wer oder was kann mich noch verunsichern? Was lässt mich zweifeln? An mir. An meinem Weg. An der Fülle. An der Liebe. An Gott.

"Meine Verführung ist die Armut", sagte Christiane eben. Das ist die Versuchung, die Freude zu verlassen, sich zu bekümmern, schwer zu werden, sich zu grämen.

Gefühle, die so lange nicht gefühlt werden wollten, werden nach oben gespült. Alte Geschichten dazu entspinnen sich.

Glaube ich die Geschichte, die da gerade passiert? Glaube ich, dass das Geld nicht reicht? Glaube ich, dass meine Existenz damit aufhört? Das JETZT alles aus ist?

Glaube ich, dass ich ausgeschlossen bin? Glaube ich, dass ich alleine bin, dass ich abgeschnitten bin von der Sippe, der Versorgung, der Fülle, der Quelle, dem Leben?

Die Geschichte ist irrelevant. Sie stimmt nicht. Eine Illusion. Ein Trugschluss aus der Kindheit, der in kindlicher Logik ausgedehnt wurde auf das ganze Leben, die Welt.

Die Gefühle sind es. Darum geht es.
Die Illusion erkennen. Darum geht es ebenso.
Die Lügen, die wir angefangen haben, als Kind zu denken, als eben das zu erkennen, als Lügen.

Um beim Beispiel Geld zu bleiben, bei der Geschichte "Mangel":

Armut geht nicht, wenn ich mit Gott gehe, wenn ich weiß, wer ich bin. Dann ist die Fülle in allem zu erkennen, auch im Mangel, auch in der Durststrecke.

Armut wertvoll. Ein Prüfstein. Behalte ich mir das Wissen um die Fülle im Herzen? Schaffe ich es, die Liebe durch Zeiten der Dürre zu tragen? Schaffe ich es, die Liebe über die Zeit zu retten?

Kein Zustand ist auf ewig gleich. Kein Zustand, Umstand ist dazu verdammt, für immer so zu bleiben.

Wir leben in Phasen und Zyklen. Auf den Tag folgt die Nacht und die Sonne wird danach wieder aufgehen.

Wir könnten auch Panik bekommen, wenn die Sonne untergeht, meinte Christian in diesem Kontext. Nur das Wissen, dass sie wieder aufgeht, lässt es uns nehmen, lässt sie uns in Frieden untergehen sehen.

Auf die Nacht folgt der Tag.
Auf Dürre folgt Regen.
Irgendwann kommt er wieder.
Auf Armut folgt Reichtum.
Irgendwann kommt er wieder.

Jede Phase anerkennen und damit gut sein. Darin bleiben können, darin in dem grundsätzlichen Wissen bleiben können, wer ich bin, in dieser grundsätzlichen Freude, die jedes Gefühl beinhaltet. Der Verführung nicht erliegen und vergessen, wer ich bin.

"Sei nicht bekümmert in Armut noch selbstsicher im Reichtum, denn auf Armut folgt Reichtum, auf Reichtum Armut. Aber Armut in allem außer Gott ist eine wundersame Gabe. Achte sie nicht gering, denn am Ende wird sie dich reich machen in Gott. [...]"
- Verborgene Worte, Texte Bahá'u'lláhs