Samstag, 24. Oktober 2020

Wie geht es dir?

Ich glaube, dass dieser kleine, einfache Satz ein Großteil der "Lösung" ist - der ErLösung - auch und gerade angesichts der Spaltung.

Diese Frage aufrichtig gestellt, in tiefer Bereitschaft tatsächlich zuzuhören, da zu sein, präsent. In Demut den Raum gebend. Eine Demut, die nicht etwa unterwürfig ist, nicht aufopfernd, sondern eine Demut, die bereit ist, vom anderen etwas zu lernen, mit Offenheit, wertfrei, urteilsfrei. Keine Ratschläge, kein Zuhören, um zu antworten, keine Besserwisserei, keine Floskelmentalität a lá Smalltalk. Sondern wirklich ernsthaft fragen, wirkliches Interesse an der anderen Person und deren Lage, deren Emotionen, deren Sicht der Dinge.

Eine Kommunikation, die auch eine Kommunion ist. Nur zuhören und sein lassen.

Nach solchen Situationen und Gelegenheiten sind die Menschen ausgehungert. Da bin ich mir sicher. Wer wurde denn in seiner Kindheit schon ernsthaft wahrgenommen, einfach so? Mein inneres Kind war zumindest ausgehungert. Sehr. Mal wieder bin ich einem inneren Kind von mir begegnet, das bei den Erwachsenen niemanden erreichen konnte, das nicht gesehen wurde, nicht wahrgenommen, immer übergangen.

Was es gebraucht hätte damals? Dass nur einer einmal ernsthaft gefragt hätte: "Und du so? Wie geht's dir eigentlich, Kleine?" Als ich meiner Kleinen eben genau diese Frage ernsthaft interessiert gestellt habe, sie gesehen habe und sie gemerkt hat, dass ich es wirklich aufrichtig meine, dass ich da bin, mir Zeit nehme und sie einfach nur sehe, sind alle Dämme gebrochen. Ich hab Rotz und Wasser geheult. Der alte Schmerz überrollte mich und floss direkt ab.

Ich bin gefallen. Einfach gefallen. Es war wir eine Erlösung. Die Kleine, sie ist gelandet, sanft und warm in Mutter Erdes Schoß. Mitten hinein in die Liebe, in die Geborgenheit des Lebens.

Wie viele lechzen danach, einfach nur gesehen zu werden mit dem, was sie gerade sind und was sie bewegt? Mit den Ängsten, der Freude, den Prozessen, den Themen, den Herausforderungen, Erfolgen?

Wie viele leiden gerade einfach nur deswegen, weil sie das Gefühl haben, nicht gesehen zu werden? Wie viele wollen nur, dass man ihnen zuhört und sie ernst nimmt? Einfach nur zuhören...!

Wie geht es dir?

Dieser Satz ist der einzige, der wirklich zählt und immer passt. Bei Krankheit, bei einem Todesfall, bei neuen Herausforderungen, in Krisen aller Art. Da braucht es keine "Gute-Besserungs-Wünsche", kein Beileid (was ich sowieso total Banane finde), kein "viel Erfolg". Da braucht es keine Tipps, keine Ratschläge, keine gut gemeinten Weisheiten.

Wie geht es dir? Und dann da sein. Wirklich und wahrhaftig da sein. Mit der Antwort muss man auch gar nichts machen. Es einfach stehen lassen. So SEIN lassen. "Danke für deine Offenheit. Danke, dass du mir das erzählt hast." Das reicht als Antwort. That's it!

Meine Meinung...

Foto: Canva
Text und Gestaltung: Anja Reiche