Freitag, 1. Mai 2015

Der Schlüssel zur Freiheit

Heute hat sich wieder etwas gelöst! Ich bekam den Schlüssel zur Freiheit! Es gab so einige Puzzleteilchen, die dafür zusammengefügt werden wollten...

Die letzten Wochen habe ich mich sehr mit meinen vergangenen Leben beschäftigt und festgestellt, dass Unterdrückung oft ein Thema gewesen ist. Nicht das machen und leben können, was ich eigentlich wollte. Die Bedürfnisse und Ansprüche anderer über meine stellen. Als Frau dem Mann untergeben, als Kind den Eltern. Es gab wohl unzählige Situationen in meinen Leben, wo sich das gezeigt hat. Ich war aber nicht nur die Unterdrückte, sondern auch mal die, die unterdrückt hat. Ich habe also beide Seiten zur Genüge kennengelernt. Mal wurde ich von der Familie verstoßen, weil ich etwas getan hatte oder eine Überzeugung lebte, die Schande über die Familie gebracht hat, mal war ich diejenige, die ein Familienmitglied verstoßen hat. Thema war immer, dass jemand nicht so sein durfte, nicht so leben durfte, wie er es gerne hätte. Nicht frei sein durfte.

Anfang April in einer ruhigen Minute, nachdem ich Mandalas gemalt hatte, hatte ich das Bedürnis noch etwas zu malen. Irgendwas wollte raus. Also nahm ich einfach einen schwarzen Buntstift und meinen allzeit bereiten Block und fing an, das zu malen, was sich gerade zeigen wollte. Die Gestalt einer Frau begann sich zu formen. Erst dachte ich, es wäre eine Massai, die durch Wüstensand lief, den Wasserkrug auf dem Kopf. Doch beim Weiterzeichnen stellte sich heraus, dass die Frau im Wasser stand, das Gesicht bekam einen Schleier, am Ufer stand Schilf, im Hintergrund entstand ein orientalischer Palast. Die Frau blickte mir direkt in die Augen. Da war eine intensive Verbindung. Am selben Abend begann ich ein neues Buch zu lesen. Es handelt von Ägypten nach dem 2. Weltkrieg bis heute. Darin ist von orientalischen Palästen die rede, von verschleierten Frauen, die zum Nil gehen, um Wasser zu holen. Es handelt von verstoßenen Frauen, die Schande über die Familie gebracht haben, von Frauen, die ihrem Mann Untertan sind und das Haus nicht verlassen dürfen. Ich staunte nicht schlecht. Die Frau, die ich kurz vorher gemalt hatte, symbolisiert all das und all das habe ich schon erlebt. Ich weiß es einfach.




Einige Tage später überkam mich eine unbändige Wut. Wie aus dem nichts war sie einfach da. Ich spürte nach, wo sie herkam. Es gab kein aktuelles Ereignis, auf das sich die Wut bezogen hätte. Und plötzlich war da das Wort "Unterdrückung" in meinem Kopf. Es war all die Wut und die Ohnmacht, die ich in all den Leben erlebt hatte. Sie kam ins Fließen und wollte raus. Wie so oft, wenn ich mit der Wut zu tun habe, lasse ich sie wirklich raus, nehme eine Sofakissen und verdresche im wahrsten Sinne des Wortes die Couch, schreie und tue das so lange, bis nichts mehr kommt. Anfangs hat mich das ziemlich Überwindung gekostet. Mittlerweile ist es eine Wohltat und schon selbstverständlich. Es tut einfach gut, all meinen Emotionen Raum zu geben und sie bereitwillig zu fühlen. Nach diesem Ausbruch hatte ich wieder das Bedürfnis zu malen. Wieder entstand eine Frauengestalt und alles was mir an Gedanken in den Sinn kam, schrieb ich einfach dazu. Aber seht selbst:




Ich liebe es aus all den Emotionen etwas zu erschaffen, damit schöpferisch umzugehen. Dieses Bild und die dazugehörigen Gefühle haben mich doch sehr fasziniert. Denn es fühlte sich so an, wie wenn diese Eindrücke nicht alle aus diesem Leben kamen und auch nicht alle meine sind. Es fühlte sich eher an wie eine Familiengeschichte, wie wenn ich diejenige wäre, die dieses Thema für mich und all meine Vorfahren löst. Da fiel mir das intensive Gespräch mit meiner Oma wieder ein, dass ich Ende März noch hatte. Ein wirklich berührendes, bewegendes Gespräch. Wie so oft habe ich einer Freundin davon geschrieben. Die Nachricht findet ihr hier:

>>Meine Oma ist die Mama von meinem Papa und das einzige Großelternteil, das ich noch habe. Von ihr habe ich so einige Themen "geerbt". (Gallensteine z. B. und alles, was dazugehört, Nervenschmerzen, Krämpfe, etc.) Ich saß bei ihr in der Küche und seit ich weiß wie wichtig die Vergangenheit und die Familiengeschichte ist, frag ich sie natürlich immer Löcher in den Bauch. Also hab ich die Chance genutzt. Erst hab ich sie noch über meinen Opa und sein Leben ausgefragt und dann auch über ihr Leben. Einiges wusste ich schon und vieles ist mir dann auch wieder gedämmert. Meine Oma ist auf dem Bauernhof geboren, den jetzt auch meine Eltern bewirtschaften. Sie hat den Hof von ihrem Vater geerbt und hat eigentlich nie was anderes gesehen. Ihr Vater, also mein Uropa, war ziemlich krass drauf, sehr aggressiv, hat getrunken, seine Frau geschlagen und auch die Kinder und Enkelkinder. Muss wohl ein ziemliches Ekel gewesen sein. (Er ist gestorben, da war ich ein Jahr alt. Ich kenne ihn also nicht persönlich.) Er hat auch immer alle anderen ordentlich zum Arbeiten angetrieben. Meine Oma hatte noch eine Schwester und die mochte er noch weniger, als den Rest der Familie. Die hat ihre Schläge bekommen bis sie geheiratet hat und ausgezogen ist. Es gab mal eine Geschichte, da sollten meine Oma und ihre Schwester den Dachboden von einem Stall erneuern, weil der schon modrig war. Also sind die beiden hoch und weil das alles schon total hinüber war, ist die Schwester von meiner Oma durchgebrochen und runtergefallen. Die hätte gut und gerne tot sein können. Liebevoll wie mein Urgroßvater war, hat er ihr zusätzlich noch eine geschmiert, weil sie sich so doof angestellt hat. So war das da...

Meine Oma meinte, dass es in ihr heute, mit fast 85 Jahren, noch voll drinsteckt, nicht stillsitzen zu können und immer was machen zu müssen, weil sie Zeit ihres Lebens immer von ihrem Papa angetrieben und getriezt wurde. (Ein Thema, das ich auch geerbt habe! Machen, machen, machen, müssen, müssen, müssen). Eine andere Geschichte war, folgende. Es war an einem Sonntag. Ihre Mutter hat in der Küche gestanden und Klöße gemacht. Ihr Vater war wohl den ganzen Morgen schon ziemlich scheiße drauf und nur am rummaulen. Da wurde es ihrer Mutter zu doof und sie hat einen rohen Kloß genommen und ihn ihrem Mann ins Gesicht geschmissen. Daraufhin ist er ihr natürlich nach und wollte sie schlagen. Meine Oma hat geistesgegenwärtig einen Stuhl in seinen Laufweg geschoben, so dass er sie nicht gleich erwischt hat. Aber er hat die Verfolgung natürlich trotzdem aufgenommen. An dem Tag war wohl auch ein großes Fest im Dorf und meine Oma musste bedienen. Sie meinte, sie hat sich den ganzen Tag gefragt, ob ihr Vater ihre Mutter erwischt hat und wenn ja, ob sie noch lebt. Ihm war wohl auch zuzutrauen, dass er sie erschlägt. Ich finde das total krass, wenn man sich sowas als "Kind" fragen muss.

Meine Oma meinte dann auch noch, dass ihre Mutter oft davon geredet hat, sich das Leben zu nehmen. Und meine Oma musste eigentlich immer damit rechnen, wenn ihre Mutter alleine in den Wald zum Holz machen ging, dass sie nicht mehr wieder kommt, weil sie sich aufgehängt hat. Und es kam wohl öfter vor, dass sie bei Einbruch der Dunkelheit immer noch nicht daheim war. Es ist zwar nicht passiert. Ich glaube, sie ist zu Hause eines natürlichen Todes gestorben, aber in dieser ständigen Angst zu leben, ist schon krass. Vor allem, wenn die Mutter eigentlich die einzige ist, mit der man sich gut versteht und die so gut es geht, zu einem hält. Der Vater meiner Oma hatte damals auch beschlossen, dass sie heiraten muss. Klar! Sie kannte meinen Opa gerade ein paar Wochen und hatte auch noch ein paar andere Jungs am Start (das war so witzig! Die hatte es echt faustdick hinter den Ohren!!!) und da hat mein Uropa beschlossen, dass jetzt geheiratet werden muss, weil er alt ist und den Hof übergeben will. Meine Oma meinte, sie hat die ganze Nacht geweint, weil sie noch nicht heiraten wollte, sie wollte noch was haben von ihrem Leben.

Und da sitzt meine Oma mit fast 85 Jahren, erzählt mir von ihrem Leben und sagt dann: "Ach Anja, was hatte ich denn von meinem Leben?" Sie hat immer nur gearbeitet und es anderen recht gemacht. Das war echt bewegend. Und dann meinte ich zu ihr, dass ich eben nicht vorhabe, in ihrem Alter das gleiche sagen zu müssen. Dass ich mein Ding machen möchte. Dass jetzt einfach eine andere Zeit ist und das auch möglich ist. In dem Moment hatten wir echt eine Verbindung und sie konnte total verstehen, dass ich es anders mache. Irgendwie war es fast so, als ob ich ihre Erlaubnis und ihr Einverständnis für meinen Weg bekommen habe, das Einverständnis meiner Ahnen. Als wir uns dann am nächsten Tag verabschiedet haben, weil wir wieder gefahren sind, hab ich sie gedrückt (das hab ich irgendwie noch nie gemacht) und sie hat voll fest zurückgedrückt, hatte Tränen in den Augen und meinte: "Machs besser!". Jetzt kommen mir schon wieder die Tränen. Das war echt der Hammer und sooo schön! Das war alles echt ergreifend!<<

Bevor mir diese Geschichte wieder eingefallen ist, hatte ich das Thema Unterdrückung eigentlich fast nur auf meine früheren Leben bezogen. Wenn man aber so hört, was meine Oma erlebt hat, dann ist Unterdrückung wohl auch ein Thema meiner jetzigen Familie.

Und heute hat sich der Kreis geschlossen. Hingesetzt zum Meditieren habe ich mich, weil die letzten Tage ein Backenzahn ziept, der eigentlich schon gar keinen Nerv mehr hat. (Ich hatte mit Mitte zwanzig 3 Zahnwurzelbehandlungen, die ich damals ganz unbewusst vom Zahnarzt behandeln ließ und mir das Thema dahinter nicht weiter angeschaut habe.) Und heute habe ich mit diesem Zahn Kontakt aufgenommen und ihn gefragt, auf was er mich denn aufmerksam machen möchte. Es zeigte sich in winzig kleines Männchen, so klein, dass es in den Zahn passte. Es war völlig erschöpft und sagte: "Das war aber anstrengend, dich auf mich aufmerksam zu machen!" Ich nahm es in meine Hand und es legte sich sofort hin, weil es so erschöpft war, schloss die Augen und schlief ein. Ich ließ es schlafen und drückte es liebevoll und schützend an meine Brust. Ich merkte, dass es meinen Schutz und meine Liebe brauchte, wie die Luft zum Atmen. Es hätte sonst nicht schlafen können. Während ich das tat verwandelte sich das kleine Männchen in ein kleines Kind, in mich mit ca. 5 Jahren. Nun hatte ich mein inneres Kind auf dem Arm und hielt es an mich gedrückt, während es schlief. Ich spürte förmlich die Erschöpfung. Es schien zum ersten mal seit Jahren wirklich in Ruhe schlafen zu können, ohne auf der Hut sein zu müssen, ohne sich anstrengen zu müssen, ohne angespannt zu sein, ohne sich darum kümmern zu müssen, ob es die Bedürfnisse von anderen befriedigen müsste, ohne sich fragen zu müssen, ob es jedem gerecht wurde. Mir liefen die Tränen nur so, als mir klar wurde, wie anstrengend das als Kind war. Immer auf der Hut, immer in Hab-Acht-Stellung, immer angespannt, immer unter Strom. Mein inneres Kind wurde wach und konnte noch nicht ganz glauben, dass all der Druck und Stress jetzt vorbei sein sollten. Ich sagte ihm, dass es nun immer das machen könnte, was es gerade wollte, dass es niemanden mehr gab, der etwas von ihm wollte, dessen Bedürfnisse über seinen standen. Ich würde es beschützen und ihm ermöglichen, einfach es selbst zu sein. Es war frei und hatte trotzdem meinen Rückhalt. Das Kind freute sich und war über die Maßen erleichtert. Nun wurden das Kind und ich eine Person. Ich legte eine Corsage ab, die ich immer getragen hatte, eingeschnürt und viel zu eng. Dann legte ich noch einen schwer bepackten Rucksack ab. Alles Last, die ich jetzt nicht mehr zu tragen brauchte. Und während ich den Rucksack auf die Erde stellte, fand ich einen wunderschönen, goldenen Schlüssel. Ich nahm ihn in die Hand und wusste, das war der Schlüssel zur Freiheit! Suchend und mit Tränen in den Augen blickte ich mich nach der Tür um, zu der der Schlüssel passte. Dann merkte ich, dass ich in einem goldenen Käfig war mit all meinen Ahnen, die das gleiche Thema hatten und die nur darauf warteten, dass ich es jetzt für sie lösen würde. Ich steckte den Schlüssel in das Schloss der Käfigtür und öffnete sie. Dann drehte ich mich zu meinen Ahnen um und sagte: "Ich entlasse mich und euch, hier und jetzt und für alle Zeit in die Freiheit! Ich tue es für alle, die da waren und die da noch kommen werden!" Und dann schwebten alle Ahnen durch die Tür in die Freiheit. Auch ich ging durch diese Tür und fand mich auf einer sonnigen Wiese liegend wieder. Der Käfig stand neben mir, zur Miniatur geschrumpft. Ich lag da einfach nur, die Sonne im Gesicht und spürte Leichtigkeit und undendliche Freiheit! Ich konnte genießen und musste mir um nichts und niemanden Gedanken machen. Ich war ganz bei mir und mit mir und einfach nur zufrieden. Wunderschön!

Nach der Meditation saß ich noch ganz beseelt da und dachte darüber nach, was mir gerade passiert war. Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen, was das ganze mit meinen Zähnen zu tun hatte. Ruediger Dahlke spricht in seinem Buch "Krankheit als Symbol" davon, dass eine Zahnwurzelentzündung für einen Konflikt stehen kann, der bis an die Wurzel der eigenen Existenz geht. Den Konflikt, den ich sooo lange hatte, war der zwischen meinen eigenen Bedürfnissen und meinem Weg und zwischen dem, was andere von mir wollen und erwarten. Über viele Leben hinweg hatte ich diesen Konflikt und auch in meiner Familiengeschichte war das immer wieder Thema. Von diesem Konflikt konnte ich mein inneres Kind heute befreien und ihm, mir und meinen Ahnen die Freiheit schenken!!!

Ich verneige mich wie so oft in Demut vor diesem wundervollen Leben!

Namaste!

Foto: Anja Reiche