Montag, 9. Oktober 2023

Ich mit mir

Gestern hab ich in meinem Telegram-Kanal gefragt, wie die Menschen gerade so da sind, was sie bewegt. Jetzt mag ich meine Frage gerade auch selbst beantworten. Da ist eine Traurigkeit, die (noch) keinen Ursprung hat. Ich liege im Bett und mir ist danach, mich einfach zu verkriechen. Die Decke über den Kopf ziehen. Niemanden hören und sehen, vor allem nicht die, die mich nicht sehen und hören. Ich bin vielleicht 8 Jahre alt. Ich bin einsam, obwohl da so viele Menschen mit im Haus wohnen. Ich hasse dieses Umfeld. Ich hasse es, dass ich mich da einfügen muss, dass ich funktionieren muss, mich dem aussetzen. Sobald ich in Erscheinung trete, komme ich unter die Räder, werde vereinnahmt und überrannt. Sobald mich jemand sieht, gibt es mich nicht mehr, dann werde ich mit Haut und Haaren verschlungen, eingespeist in das System.

Ich liege im Bett und will einfach nur mit mir sein. Mich haben dürfen. Eigene Gefühle, eigene Gedanken, ein eigenes Wesen, meinen Raum, in dem es MICH tatsächlich gibt, in dem ich von Interesse bin. Ich mag eigene Zuneigung spüren und auch eigene Abneigung. Ich mag nicht gezwungen werden, mit Menschen in Kontakt zu sein, die ich nicht leiden kann. Dinge gut finden müssen, weil andere meinen, das gehört so. Menschen mögen müssen, weil sie verwandt sind oder im gleichen Jahrgang sind. Ich hasse dieses Müssen. Dieses nicht nein sagen dürfen, gezwungen werden.

Mir wird schlecht. Da ist Ekel, Wut und Abscheu. Ich sehe die Kleine, voller Verzweiflung, tobend, schreiend, sich wehrend. Schaum vorm Mund. Tränen überströmt. Innerlich. Stumm. Total erledigt und erschöpft von all dem. Diese Gefühle durften nicht sein. So durfte ich mich nicht zeigen. Sie wurden nach innen gedrückt. Runtergeschluckt. Gegen mich selbst gerichtet.

Da liege ich im Bett. Erwachsen. Darf das nun alles leben und ausleben. Darf meiner Neigung und Abneigung folgen. Darf sein. Mich lassen. Mir die Decke über den Kopf ziehen und all das geschützt nachträglich bezeugen und fühlen. Es war beschissen und es ist vorbei.

Da ist noch Traurigkeit. Eine nachträgliche Erschöpfung. Fassungslosigkeit und Mitgefühl mit der Kleinen damals. Da ist Erleichterung. Jetzt darf und kann ich meinem Innersten folgen. In jeder Sekunde. Was für ein Geschenk! Und ich hab's mir selbst gemacht. Danke an mich und diesen krassen Weg. 🙏🏼🔥