Sonntag, 24. November 2024

Warme Menschen

Es gibt viele scheinbar strahlende Menschen, glänzende, schöne Menschen, die klar und offen wirken und doch spüre ich keine Wärme, keine Anziehung, eher Distanz, eine Kühle, eine Unnahbarkeit. Und so toll sie sein mögen, ich habe nicht das Gefühl in meiner Ganzheit dort willkommen zu sein und schon gar nicht das Gefühl, so sein zu wollen wie sie.

Es gibt Texte, die stimmen, die treffen es auf den Punkt, enthalten Wahrheit und gleichzeitig sind sie nicht warm. Sie wirken kühl und eher abgetrennt von Gefühlen. Der Inhalt passt und doch fühle ich den Schreiber nicht. Sie mögen sogar von Dingen wie Wärme sprechen und doch bleiben die Worte an der Oberfläche und erreichen mein Herz nicht.

Ich sehe, ich lese, ich höre, aber ich fühle das Wesen nicht, fühle den anderen nicht, bleibe unberührt und auch unbeeindruckt.

Mich zieht es zu warmen, tiefen Menschen. Ich erkenne sie direkt. Fühle ihre Texte. Fühle sie in ihren Worten. Es steht ihnen ins Gesicht geschrieben, breitet sich weit um sie aus. Dieses gewisse etwas. Dieses Leuchten. Bei ihnen geht mir das Herz auf, in deren Nähe fühle ich mich direkt wohl, geborgen, willkommen, mit meinem ganzen Wesen hingezogen.

Sie sind mitfühlend, selber präsent, mit allem da, was wirklich gerade in ihnen los ist. Sie sind gut mit sich selbst und damit automatisch mit anderen. Sie sind echt, klar, wohlwollend, offen, milde, gütig, berührbar, nahbar. Das, was sie von sich geben, stimmt mit dem überein, was in ihnen schwingt. Und es gibt diese Urteilsfreiheit, die so spürbar ist. Ein weiter, offener Raum, in dem alles Platz hat.

Eine Atmosphäre, die jemand mitbringt, lügt nicht. Eine warme Atmosphäre kann nicht erzeugt werden. Noch so viele Kerzen und Blumen und schöne Gegenstände machen den Raum noch lange nicht "warm" und einladend. Noch so viele schöne Worte machen einen Text noch lange nicht warm und tief.

Der Mensch schwingt in alles rein, was er tut. Der Schreiber schwingt in seinen Text. Der Fotograf in seine Fotos. Unvermeidbar.

Jetzt wollte ich gerade schreiben, dass ich dieses feine Hinspüren mag, diese Nuancen. Ich muss lachen. Tatsächlich schreit mich sowas förmlich an. Es ist, als ob das, was schwingt, in LED-Lettern für mich sichtbar ist. Ein Segen und manchmal hadere ich mit mir, doch wieder "das Haar in der Suppe" gefunden zu haben. Aber es blinkt halt so arg.

Annette hat es neulich sehr schön auf den Punkt gebracht. Zwischen Glänzen und Leuchten gibt es einen großen Unterschied. Fürs Glänzen brauche ich eine externe Lichtquelle, ich muss in gutem Licht stehen, die Oberfläche muss glatt und poliert sein. Leuchten kommt aus meinem Inneren. Fertig. Das hat Substanz. Da braucht's nur mich. Ganz. Echt. Da ist's warm. In mir und um mich rum.

Ich mag warme Menschen. Und ich mag es sehr, meiner Wahrnehmung da getrost vertrauen zu können und ihr zu folgen.