Atmen... Nochmal atmen... Stille... Seufzen... Atmen... Ich sitze vor diesem Textfeld und versuche in Worte zu fassen, was in den letzten Tagen passiert ist. Versuche in Worte zu fassen, was eigentlich gar nicht mehr wirklich in Worte zu fassen ist.
Wie kam es gleich nochmal dazu? Was war der Auslöser? Wie war die Reihenfolge der Ereignisse? Ich weiß es gar nicht mehr so richtig.
Die Tränen steigen hoch. Bilder, Gesprächsfetzen, Erinnerungen vor meinem inneren Auge. So viele freudige, magische Momente, die nicht von dieser Welt sind. So viele schmerzvolle, in denen es mich fast zerrissen hätte.
Keine Ahnung wie oft ich gestorben bin seit letztem Freitag. Gefühlt war es eine Woche durchgängiges Sterben und ich bin noch nicht fertig. Der Trauer- und Abschiedsprozess läuft noch, die Phasen schwanken hin und her. Gehen wie Wellen durchs System.
Ganz faktisch kann ich sagen, dass unser Retreat "Experiment Ehrlichkeit" im September nicht stattfindet. Das kommt erstmal unaufgeregt daher. Das kann mal passieren, dass eine Veranstaltung ausfällt, abgesagt wird. Was für mich damit verbunden ist, was ich da "gehen" lasse, erahnt vielleicht der ein oder andere zwischen den Zeilen. Da ist ein grundsätzliches Fragezeichen an allem. Es fühlt sich an, wie in einem fahrenden, vollbesetzten ICE die Notbremse zu ziehen. Keiner rechnet damit. Nur der, der letztlich den Hebel bedient, weiß, was da gleich passieren wird. Dieser jemand war ich und ich habs mir echt nicht leicht gemacht. Ein kleiner Handgriff mit krassen Auswirkungen und Folgen.
Der ICE gleicht meinem Leben in den letzten Wochen. Gefühlt auf der Überholspur, eine Ereignisdichte vor dem Herren. Manchmal hab ich mich echt gefragt, wo ich die Energie hernehme. Seit über fünf Monaten bin ich unterwegs, hab so ziemlich alles auf links gedreht, keinen Stein auf dem anderen gelassen, losgelassen, zurückgelassen, mich eingelassen. Immer wieder neu. Es fing an, sich neu zusammenzusetzen, neue Menschen, neue Lebensformen, unzählige neue Erfahrungen, neue Strukturen, neue Gewohnheiten. Ein neues Kartenhaus?
Ich weiß es nicht. Aber ich musste anhalten. Das weiß ich. Vollbremsung. Mal wieder die unterste Karte aus dem Kartenhaus gezogen. Mal wieder die Grundsatzfrage gestellt in einem Moment, in dem man von außen denken könnte, dass doch die Welt in Ordnung ist, alles läuft und richtig ist.
Seit Montag bin ich in einem retreatähnlichen Zustand. Rückzug, Sortieren, viele Gespräche mit der Soulfamily, mit Stephan, alte Wunden versorgen, die so unerwartet aufgebrochen sind, bei uns beiden. Experiment Ehrlichkeit rund um die Uhr im real life check. Ganz viel Nichtwissen, Herantasten, Erkennen, Klären, Fühlen, Heilen.
Gleichzeitig lache ich so unfassbar viel. Ich bin im Feenreich und wundervollst begleitet. Weinen und lachen bis die Tränen kommen liegen so nah beieinander. Hier geht das so gut und selbstverständlich. Leichtigkeit in all der Tiefe. Gehalten werden und halten. Führen lassen und führen. Wie es gerade richtig ist. Zeit? Existiert nicht mehr.
Da bin ich also. Mir bleibt nur der Moment. So blank wie jetzt war ich noch nie in meinem Leben. Jetzt weiß ich wirklich gar nichts mehr. Jetzt hab ich tatsächlich nur noch mich, meine Intuition und den Augenblick. Keine Vorstellung. Keine Pläne. Keine Idee. Es fühlt sich in all dem Chaos und zwischen Bergen von vollgerotzten Taschentüchern extrem richtig an. Echt. Lebendig. Pur. Roh. Am Puls des Lebens.
Die Idee ist, dass Stephan und ich uns euch noch live mitteilen, erzählen, euch mit in unseren Prozess nehmen. Wann? Keine Ahnung. Wirklich so gar keine Ahnung. Wo ich morgen bin? Ich weiß es nicht. Was als nächstes kommt? Kürbissuppe. Mehr muss ich gerade nicht wissen. Kürbissuppe reicht als der eine nächste Schritt!
Foto: Canva Text und Gestaltung: Anja Reiche |