Samstag, 4. Oktober 2025

Echtes Forschen ist ergebnisoffen

Wenn ich mir selber wirklich und wahrhaftig auf die Schliche kommen will (das klingt schon fast grob), wissen will, was in mir wirkt und warum, wenn ich mich ganz und gar durchdringen und wirklich kennenlernen möchte - sowohl in meinem momentanen Ist-Zustand, als auch in meinem Urzustand - muss ich bereit sein, ALLES an mir entdecken zu dürfen.

Wenn ich mir selbst begegnen will - genau JETZT - dann darf es nichts geben, was nicht sein darf. Ich muss alles an mir (vor)finden dürfen. Eine echte Intimität mit mir selbst darf vor mir selbst nichts verbergen.

Wenn ich davon ausgehe - und das tue ich persönlich - dass das hier auf der Erde in erster Linie eine Forschungsreise ist, eine Ent-Deckungsreise in immer mehr Bewusstheit, dann braucht es vor allem Offenheit, sowohl Ergebnisoffenheit (ich weiß nämlich nicht, wo meine Reise mich hinführt und was dabei zutage kommt) als auch die Offenheit/Bereitschaft, allem ins Auge zu blicken, was derzeit existiert, vor allem IN mir.

Diese Nähe mit mir selbst während dieser Reise, diese tiefe Loyalität mir selbst gegenüber, diese Liebe und Milde, mit der ich auf mich schaue, mich halte und begleite, das wahrhafte Mitfühlen mit mir selbst und tatsächlich wirklich an meiner Seite stehen, mit mir stehen, für mich stehen und gehen, berührt mich immer wieder so sehr. Diese tiefe, echte Liebe zu mir in allen Umständen und Situationen, für alle Anteile und Gefühle, für jeden Gedanken und jeden Impuls, ist wohl das, was ich als bedingungslose Liebe mir selbst gegenüber bezeichnen würde. Ich selbst bin mein stärkster Verbündeter und mein größter Fürsprecher, mein eigener Freisprecher und Erlauber, mein größter Fan und mein sicherster Hafen. Dieses Gefühl von tiefster Verbundenheit mit mir selbst ist unbeschreiblich und erlaubt eine echte Reise.

In dieser Haltung kann ich wirklich und wahrhaftig ALLEM begegnen, sowohl in mir als auch im Außen, weil ich in mir gut damit sein kann, gut mit mir da sein kann.

Ich bemerke immer wieder staunend, wie viele Menschen ein bestimmtes Bild von sich haben, in das dann so viel nicht hineinpasst, was aber auch an und in ihnen ist. Ich beobachte die Gewalt, die Härte gegen sich selbst, wenn das auftaucht, was nicht sein darf. Ich sehe den Kampf gegen das Ungewollte und das verbissene Streben nach dem, was stattdessen sein soll. Ein wirkliches Entdecken der derzeitigen Verfassung und dann des reinen, ursprünglichen Wesens ist so unmöglich. Das Erreichen eines Idealbildes ist nun mal nicht das wahre Naturell.

Ich hab mich früher selbst mit großer Härte angefasst. Es ist nicht so, dass ich es nicht kenne. Ich hab das gemacht, weil ich dachte, ich müsste irgendwo reinpassen, in das mein Wesen aber so gar nicht wollte. Mich hat es über die Maßen erleichtert, mir endlich erlauben zu können, was eh da war, und nur andere an mir falsch fanden. Das meine ich gerade nicht.

Tatsächlich beobachte ich eine noch ganz andere Härte sich selbst gegenüber und die kenne ich selbst nicht. Nämlich, dass es vor sich selbst nicht sein darf, was aber da ist. Also der Maßstab sind nicht, wie bei mir früher, die anderen, sondern der Richter ist in denjenigen selber und die Dinge müssen vor sich selbst verborgen werden. Da hört das echte Forschen dann ganz schnell auf. Da gibt es Dinge, die dürfen unter keinen Umständen berührt werden.

Mir kommt es weiterhin so vor, dass dieses "sich selbst verurteilen" schon angefangen hat, bevor überhaupt auch nur ein prägender Kontakt mit einem Menschen hier auf der Erde stattgefunden hat und all die schrecklichen Erfahrungen, die dann kamen, tatsächlich schon Folgen des eigenen Grundurteils waren, des Sichselbstverlassens. Die Erfahrungen in der Kindheit sind nicht minder schlimm und dennoch ist diese Sachlage eine ganz andere, wenn es um Ursache und Wirkung geht, um echte, tiefe Heilung an der Wurzel und eben das ehrliche Hinschauen zu sich selbst, was für Heilung unabdingbar ist.

Sie wollen sich selbst nicht und doch ist es genau das, was sie ihr Leben lang am meisten und am schmerzvollsten vermissen. Es ist ein selbstgebauter Teufelskreis. Jede Selbstzuwendung eine Scheinzuwendung, die einem idealisierten Selbstbild dient. Es ist kein echtes Forschen hin zum eigenen Wesen, kein echtes Herausfindenwollen, wer und was man wirklich ist. Das Urteil steht ja schon und das tut so weh, dass wir da bitte nicht hinschauen. Alles, aber nicht das. Dass dieses Urteil über sich selbst schon eine Lüge ist, ein Irrglaube und nicht die Wahrheit über das wahre Wesen, ist ihnen bis dato unbekannt. Die Katze beißt sich wieder in den Schwanz.

Ich schreibe das, weil sich mir dieses Phänomen mehr und mehr erschließt und weil mir damit mehr und mehr klar wird, mit welchem Mysterium ich es in meiner Kindheit zu tun hatte und was das für mich als erwachsenen, sich selbst tief fühlenden Mitmenschen bedeutet. Ich verstehe damit immer mehr meine Chancenlosigkeit - früher und heute - und wo ich meine eigene Hinwendung zum anderen ganz schnell sein lasse, weil er sich selbst nicht will, sondern immerzu ein bestimmtes Selbstbild verteidigt, das ganz viel ausschließt, was aber da ist.

"Meine Klarheit ist meine Macht." Danke, Kathi, für diesen Satz.