Montag, 27. Mai 2024

Das genügt mir nicht

Im Grunde ist das, was da jetzt kommt, eine Fortsetzung von meinem Text von vorhin. Ich wollte schon so lange darüber schreiben, über dieses "das genügt mir nicht" und irgendwie war es nicht dran.

Jetzt schon. Und jetzt weiß ich auch warum. Da fehlte etwas Entscheidendes. Die Wut musste vorher stattfinden. Ohne die Wut hätte ich den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht.

Mir meiner Ansprüche, Werte, Maßstäbe und Bedürfnisse klar zu sein, ist essentiell. Und da geht es vor allem gerade um die Ansprüche in Begegnung, im Miteinander, in Beziehung.

In den letzten Tagen und Wochen klackert und rattert es nur so in mir und ich stelle fest, mit wie wenig ich mich zufrieden gegeben habe, weil ich das für normal gehalten habe, weil ich es so gewohnt war. In der Rückschau gab es bis vor zwei Jahren im privaten/familiären Umfeld zu 98% Kontakt mit Menschen, die eigentlich gar nicht wirklich da waren, die in alten Mustern und Konventionen gelebt haben, vielleicht schon ein bisschen offen waren für andere Sichtweisen, Hinterfragen, Hinwendung zu sich und dennoch im Hamsterrad unterwegs waren.

An den Stellen, an denen es für mich gerade mal anfing spannend zu werden im Erforschen, Tieftauchen, Hinterfragen, Großdenken, etc, war bei ihnen Schluss. Ich hab mich an den seltenen Momenten, in denen es vielleicht doch mal tiefer ging, erfreut, war dankbar für immerhin das. Ich war es gewohnt, so sehr gewohnt, dass der Punkt kommt, sehr schnell sogar, an dem es eben nicht weitergeht. Das war normal für mich. Kannte ich doch fast nichts anderes. Dabei hab ich völlig übersehen, dass ich mehr gebraucht hätte. Weit mehr. Viiiiieeeel mehr.

Dabei hab ich ebenfalls völlig übersehen, dass das Oberflächliche unnatürlich ist. Ich habe lange Zeit gedacht, ich bin halt speziell mit meinem Tieftauchenwollen. Dabei ist dieses Tieftauchen, die Bewusstwerdung und dann das BewusstSEIN eigentlich menschliche Natur. Dahin würden wir uns ganz automatisch entwickeln, wenn wir gesund aufwachsen würden. Verdrängung und Unbewusstheit sind Folge von Trauma und damit krankhaft im Sinne von - zuwider unserer eigentlichen Natur.

Das, was ich über lange Jahre an "Beziehung" erlebt habe, reichte mir nicht im Ansatz. Eigentlich bin ich geistig verhungert und verdurstet. Emotional erst recht.

Das kann ich aber erst im Nachgang feststellen. Jetzt, wo ich ganz andere Beziehungen pflege, ganz anderen Umgang und Tiefgang erlebe, ganz andere Begegnung. Nämlich echte Begegnung. Nähe, Nahbarkeit, Intimität.

Jetzt merke ich, was mir eigentlich alles gefehlt hat, was ich mir schöngeredet habe, was ich kompensiert habe. Ich sage nicht, dass falsch war, ich sage nur, dass es so war. Eine Wahrheit, die mich oft genug erschüttert.

Da waren Ideen, den anderen ja so zu lassen wie er ist. Da waren die Gedanken, dass sie es halt noch nicht besser können. Da war die Idee, dass ich anstrengend bin und froh sein kann, wenn ich geduldet werde. Da waren Ideen, dass ich den anderen ja helfen kann, mit sich in Kontakt zu kommen, damit sie dann mit mir in Kontakt kommen können.

Ich habe festgestellt, dass es da etwas in mir gab, das nicht sagen durfte, dass mir das nicht genügt, dass ich mehr brauche und will. Da war die Idee, dass das den anderen verletzen würde, dass ich dann gemein bin. Da war die Idee, dass ich nicht gehen darf, dass ich bleiben muss, dass ich diese Menschen nicht im Stich lassen darf, ich tu ihnen doch gut. Die haben mir ja nichts getan. Das sind doch gute Menschen.

Und mit genau diesen Überzeugungen kam die Wut. Nicht genug bekommen, aber bleiben müssen. Den anderen nicht befähigen können und dürfen, aber bleiben müssen. Damit ging ich voll gegen mich und meine Bedürfnisse. Selbstverstümmelung. In all dem hatte ich mit meinem wahren Sein, mit meinen Ansprüchen und Werten, mit meinem Tiefgang und dem Wunsch nach echter Begegnung überhaupt keinen Platz.

Die Wut durfte ich nicht äußern als Kind. Und ich war zurecht wütend. Das, was ich bekam, reichte mir nicht. Hinten und vorne nicht. Emotional. Menschlich. Geistig. Wüste.

Jetzt kommt diese Wut hoch. Meine Bedürfnisse bekommen Formen, Kontur und Worte. Meine Ansprüche dürfen sein. Ich erkenne sie und erkenne sie als absolut berechtigt an. Und ich weiche nicht mehr davon ab. Keine faulen Kompromisse mehr. Keine Halbherzigkeiten. Kein Runterregulieren. Kein einseitiges Zuhören und Eintauchen in deren Welt. Ich mag in meiner Welt bleiben und mit denen sein, die da eh schon sind.

Es zeigt sich, dass ich denen, die genauso unterwegs sind, nämlich überhaupt nichts erklären muss. Da ist es selbstverständlich sich so zu begegnen. Wenn ich mich also erst erklären muss, bzw erklären muss, was echte Begegnung heißt, ohne dass da wirklich Interesse beim anderen dafür ist, bin ich nicht am richtigen Platz. Ja, das mögen liebe Menschen sein, herzensgut im Kern und gleichzeitig mag ich sie nicht im näheren Umfeld haben, weil mir das, was an "Tiefgang" möglich ist, nicht genügt. Mich zieht es woanders hin und das ist gut so.

Alles andere kann ich (jetzt) mit einem einfachen "das reicht mir nicht" sein lassen. Was für eine Erleichterung.