Montag, 28. Juli 2025

Da kommt einer daher und hat ein Problem

Und noch etwas sehr Bemerkenswertes ist passiert. Da kam einer daher und hatte offensichtlich ein Problem. Er glaubte, mein Verhalten wäre für sein Problem verantwortlich und kackte mich an, meckerte rum und ohne eine Antwort oder Reaktion meinerseits abzuwarten, ging er.

Da stand ich also. Die Worte klangen in Dauerschleife in mir nach. Etwas in mir hatte seine Anklage in die Hand genommen, wusste zwar, dass sie nicht stimmte und dennoch hatte dieser Anteil diese Anklage in der Hand. Da der Ankläger schon weg war, konnte dieser Anteil die Anklage auch nicht zurückgeben.

Ich zerlegte die Situation, schaute genau hin, was da eigentlich passiert ist. Der Ankläger wollte keine Lösung. Er wollte nicht wirklich mit mir reden. Er wollte seinen Frust ablassen. Es ging ihm nicht darum, tatsächlich mit mir in Kontakt zu kommen und für alle Beteiligten zu schauen, wie wir mit der Lage umgehen können, damit es für alle stimmt. Ah, ok. Er wollte tatsächlich keinen Kontakt mit mir, keine Verbindung, keine Kommunikation. Es hätte also auch nichts gebracht, wenn ich mit ihm in Verbindung hätte gehen wollen.

Mein Verhalten war nicht wirklich sein Problem. Ich hatte nichts falsch gemacht, ich hatte an diesem öffentlichen Platz gegen keine Regel verstoßen. Ich durfte da sein, wo ich war. Der andere hatte vor allem ein Problem mit sich selbst und ich war jetzt für ihn scheinbar der Grund für seine Gefühle. Er wollte mich zu seinem Problem erklären und nicht anerkennen, dass er das Problem, die Gefühle, den Frust, schon vor der Begegnung mit mir hatte.

Der Anteil in mir, der die Anklage zu sich genommen hatte, hätte jetzt gerne mit dem Erwachsenen im anderen gesprochen. Der Anteil ist wirklich an einer Lösung und vor allem Aufklärung interessiert gewesen, deswegen hat er es genommen. Weil er um die grundsätzliche Lösbarkeit wusste. Nur hatte er die Rechnung ohne den anderen gemacht, der gar nicht klären und lösen wollte. Der war im Film. In seinem eigenen. Unerreichbar für mich.

Dieses Erleben kenne ich millionenfach aus meiner Kindheit. Ich diente als Blitzableiter für die inneren Kinder der anderen und ich hätte gerne mit den Erwachsenen gesprochen, die aber nie ansprechbar waren. So hat sich alles mögliche in meinen Händen angesammelt, was ich irgendwann mal, wenn denn dann die Erwachsenen wieder da sind, mit ihnen besprechen wollen würde. Der Moment kam nie. Die Erwachsenen sind bis heute nicht ansprechbar, weil nicht da. Ich war damals als Kind schon erwachsener als all die Erwachsenen um mich rum zusammen. Und so ist es heute noch.

Ich darf auch hier anerkennen, dass da niemand für mich ansprechbar ist. Ich darf anerkennen, dass ich zwar direkt angesprochen werde, aber nicht gemeint bin. Der andere bekommt mich überhaupt nicht mit. Ich darf mir auch in solchen Situationen erlauben, nichts zu sagen, nicht zu reagieren. Ich darf mir erlauben, den anderen nicht ernst zu nehmen. Kindisches Verhalten eines Erwachsenen kann ich gar nicht ernst nehmen können. Redet der Erwachsene mit mir, bin ich direkt zur Stelle, aber keine Sekunde früher.

Durch dieses Ereignis wurde mir so richtig, richtig deutlich, wie oft ich zum Problem erklärt wurde, obwohl der andere gerade einfach nur ein fettes Problem mit sich selbst hatte. Und etwas in mir hat ihm entweder geglaubt oder wollte zumindest klar stellen, dass das nicht wahr ist.

Ich darf schlicht anerkennen, dass ich in Wahrheit nicht einen Fitzel Teil von seinem Problem bin. Ich darf mich freisprechen. Rückwirkend. Millionenfach. Ich darf die Wahrheit sehen: Ich hatte mit all dem Null zu tun. Sein Frust existierte schon vor mir. Ich lege die Anklage ab.