„Wenn du in Beziehung bist, hast du nicht die Wahl, dich weiterzuentwickeln. Du hast die Pflicht!“ – Alexandra Köhler
Der Satz hat heute Morgen so richtig bei mir reingeknallt. Er war die Finalisierung einer Spurensuche in mir, die gestern Nacht begann. Dazu gleich mehr. Zurück zu diesem Ausspruch von Alexandra, der meine Welt vom Kopf auf die Füße gestellt hat.
Unter Weiterentwicklung verstehe ich in dem Fall vor allem Selbstbegegnung. Ich habe in Beziehung verdammt nochmal die Pflicht, mir selbst zu begegnen, meine Themen anzuschauen, die Verantwortung für meine Gefühle zu übernehmen und in mir aufzuräumen, unbequemen Wahrheiten über mich selbst und meinen Urwunden ins Auge zu sehen. Ich habe die Pflicht, alles, was mir in Beziehungen an Trauma um die Ohren fliegt, anzugehen, in Besitz zu nehmen, als das Meine anzuerkennen und mich auch tatsächlich darum zu kümmern. Meint, die aufgerissene Wunde tatsächlich in die Heilung zu bringen.
Ein Nein zu dieser Form der Selbstwerdung, der Selbstbegegnung, der Ent-wicklung ist eine Totalverweigerung von tatsächlicher Begegnung mit dem anderen. Ein Nein zu wahrer Intimität. Ein Nein zu echter Nähe. Im Grunde ist es Betrug. Ich betrüge den anderen um mich selbst und tue so, als würde ich Beziehung wollen.
Ich bin wie gesagt seit gestern Nacht auf Spurensuche. Ich bin einer Wut auf der Spur, einem Groll, einem Zürnen, das mit vergangenen „Beziehungen“ zu tun hat. Das Wort Beziehung muss ich tatsächlich in Anführungszeichen setzen, weil sich im Nachgang einfach rausstellt, dass in manchen Fällen genau die besagte Totalverweigerung stattgefunden hat unter dem Deckmäntelchen des Engagements, des Wollens und Tuns.
Ich muss feststellen, dass ich getäuscht wurde, mich hab täuschen lassen. Dass ich betrogen wurde, um den anderen. Dass mir falsche Versprechen gegeben wurden, die nur scheinbar eingehalten wurden. Mir wurde gesagt, dass der andere auch Beziehung will, in Beziehung sein will mit mir. Was dafür nötig war, nämlich mit sich selbst in Beziehung zu gehen, wurde nicht getan. In all dem „Machen und Tun“ und sich angeblich Bemühen und dem „Hinschauen“ hat echtes Hinschauen nicht stattgefunden. Die Begegnung mit dem eigenen Schmerz bis in die letzte Konsequenz ist nicht passiert. Der Tod wurde nicht gestorben. Die Wunden blieben bestehen und sollten berücksichtigt werden – von mir. Es sollte Wundenmanagement betrieben werden. Ich sollte Verständnis haben. Das Herz blieb zu. Der dunkle Keller verschlossen. Der Mensch unantastbar. Die Schatten weiter am Wirken.
Ich bin geblieben. Seeeehr lange. Ich hab mich blenden lassen, hatte falsches Verständnis für ihr „nicht besser können“, ihr Ausweichen, hab mir selbst Erklärungen geliefert, hab ihnen das scheinbare Bemühen abgekauft, hab unterstützt wo ich konnte, habe mich an jedem Krümel unverhältnismäßig gefreut, dachte dann noch ich wäre zu anspruchsvoll, zu harsch, zu fordernd. Hab den „Fehler“ bei mir gesucht. Hab mir erzählt, dass ich besser Raum geben muss, noch milder sein muss, weicher, wohlwollender.
Die Wut, der Groll, das Zürnen gilt ihnen wie mir gleichermaßen. Ich war da. Emotional erreichbar. Hab meine Arbeit wirklich gemacht. Sie waren nicht da. Emotional unerreichbar. Sind der wahren Arbeit ausgewichen. Ich bin geblieben. „Zu lange“. Was sich erst hinterher so anfühlt – zu lange. Es war natürlich genau richtig. Ich sehe erst jetzt klar. Und mit diesem Klarsehen kommen die zugehörigen Gefühle. Gott sei Dank! Die Wut ist so berechtigt und sie gehört genau in diese Beziehungen. Ich wurde getäuscht und missbraucht. Ich habe mich täuschen und missbrauchen lassen.
Es geht nicht um Schuld. Es geht um Erkennen und Benennen und darum, die Gefühle zu fühlen - meine. Es geht um Klarheit, um Richtigstellung, um Korrektur des verzerrten Blickes. Meines verzerrten Blickes. Jetzt sehe ich, was in Wahrheit da ist, da war, was ich bis dahin nicht sehen konnte und wollte.
Sie lagen mir am Herzen. Ich ihnen nicht. Sie lagen sich selbst am Herzen, haben die eigenen Vorteile und Annehmlichkeiten lieber genommen, als echte Begegnung. Haben Unangenehmes in sich nicht berühren wollen, sich selbst nicht berühren wollen und damit sich für mich unberührbar gemacht. Ich hatte keine Chance, obwohl mir diese in Aussicht gestellt wurde. Ich hatte nicht irgendwelche Forderungen. Ich wollte sie beim Wort nehmen. Sie haben ihr Wort gebrochen. Das gilt es anzuerkennen. Ich hab alles von mir reingegeben, mein ganzes Wesen, mein offenes Herz. Wie verabredet. Sie nicht. Ich wurde betrogen. Um sie. Um ihr wahres Wesen. Um versprochene Beziehung. Die beteuerte Bereitschaft für eine Beziehung mit mir blieb ein Lippenbekenntnis. Sie waren immer nur dann gerne mit mir, so lange es bequem für sie war, sie Vorteile hatten, die Wunden nicht berührt wurden.
Ich wurde benutzt. Hab mich benutzen lassen. Die ausgehängte Möhre, der ich nachgelaufen bin, war echte Nähe. Sie kam nie. Das darf ich jetzt begreifen und fühlen.