Donnerstag, 2. Januar 2025

Von Vorwürfen und Schuldzuweisungen

In letzter Zeit rechne ich bei jedem Kommentar auf social media mit Anfeindungen, mit Vorwürfen, mit Schuldzuweisungen, mit Bewertungen, mit Verurteilung, mit ausgedrückter Ablehnung, ja sogar mit Hass und Bekämpfung. Tatsächlich passiert es auch. Öfter als gewohnt.

Es gab diese Phasen immer wieder. Sogar Hetze hat es schon gegeben. Es scheint in Wellen zu gehen und immer wieder "nötig" zu sein, um weiter zu heilen.

Ich beobachte mich darin. Es macht viel mit mir. Tatsächlich ist es eine Herausforderung, es als Aussage desjenigen über sich selbst zu sehen und es nicht persönlich zu nehmen. Ich muss mich regelrecht daran erinnern, dass ich nicht gemeint bin, sondern gerade als Projektionsfläche diene.

Etwas in mir nimmt es sofort zu sich, nimmt den Vorwurf, die Schuld und denkt, dass der andere recht hat. Dass ich tatsächlich unmöglich bin, eine Zumutung, dass der andere unter mir oder wegen mir leidet. Etwas in mir glaubt tatsächlich, dass ich etwas an meinem Verhalten ändern müsste, dass ich zu weit gegangen bin, zu offen bin, zu viele Gefühle habe, dass ich anstrengend bin und ein Täter. Wankelmütig, sprunghaft, herrisch, kalt. Oder zu sülzig, verklärt, naiv, unvernünftig, nicht ganz bei Sinnen, völlig neben der Spur, weltfremd, dumm, unprofessionell, vom Leben keine Ahnung habe, andere belästige, ausnutze, mir Vorteile auf Kosten anderer verschaffe.

Diese Aufzählung könnte ich wahrscheinlich noch ewig weiter führen. Alles Dinge, die ich als Kind gehört habe, oder mir durch Blicke vermittelt wurden, emotionale Botschaften zwischen den Zeilen oder schlicht Rückschlüsse, die ich selbst gezogen habe in meiner kindlichen Logik, die alles auf sich bezieht.

Dieser Anteil in mir, der all das selbst glaubt oder/und befürchtet, dass die anderen damit recht haben, weiß nichts davon, dass ich einfach nur unangenehme Gefühle in anderen ausgelöst habe, für die ich aber nicht verantwortlich bin. Dieser Teil nimmt sofort die Verantwortung dafür zu sich. Sofort! Er weiß nicht, dass der andere für seine Gefühle selbst zuständig ist.

"Oh, da ist jemand aufgebracht wegen mir, enttäuscht von mir, ich muss was anders machen! Ich war wieder so und so... Ich muss das sofort korrigieren oder abstellen, mich erklären oder es wieder gut machen."

Letztlich ist ein Vorwurf nur das vor die Füße werfen der Verantwortung des anderen, ein unreflektiertes Hinwerfen, Hinrotzen und Austeilen, ein Nichtzusichnehmen. Mir wird suggeriert, ich hätte eine Grenze überschritten, obwohl ich nur von mir spreche. Dass der andere dann angreift, mich angeht, meine Grenzen überschreitet, wird nicht bemerkt, auch von meinem inneren Anteil nicht. Dieser Teil kennt seine Unschuld noch nicht. Er hat die Verdrehungen noch nicht begriffen. Da darf noch etwas richtig gestellt werden.

Mir hilft es gerade, das alles zu beleuchten, zu beschreiben, was da eigentlich vor sich geht. Es zu betrachten und zu befühlen. Damit bin ich jetzt noch etwas, lass es sacken und wirken. Beobachte und ergründe.