Eigentlich wollte ich rausgehen. Noch ein schneller Blick auf Facebook und ich bleibe wie erstarrt sitzen. Ein Foto von einem Naturfotografen aus meinem alten "Revier" Recker Moor. Es zeigt einen Moorfrosch. Er ist BLAU!
In mir passiert ganz viel gleichzeitig. Ich hatte also immer recht. Natürlich hatte ich recht. Es hat mir nur nie jemand geglaubt. DAS Dilemma überhaupt in der Kindheit: Meine Wahrnehmung abgesprochen bekommen. Mein Erleben, das abgetan wird. Lächerlich gemacht. Verharmlost oder ganz negiert.
Es gab dieses eine krasse Erlebnis, das sich mir ins Gedächtnis gebrannt hat, weil sehr emotionsbeladen. Ich war vielleicht fünf Jahre alt. Wir waren auf dem Nachbarsgrundstück spielen, meine Geschwister und ich, vielleicht auch noch andere Kinder aus dem Dorf. Ein Anwesen mit Ferienhaus, das die meiste Zeit im Jahr verlassen war. Ein Eldorado für uns Kinder, viele Verstecke, viel zum Entdecken. Dort gab es einen Brunnen mit Pumpe. Wir haben es geliebt, das Wasser hochzuholen und rausrauschen zu lassen.
So auch an diesem einen Sommertag. Ich stand an der Pumpe. Im Spiel versunken. Kurze Hosen. Aus dem Nichts springt mich etwas kaltes, großes, glitschiges, BLAUES an. Ans nackte Bein. In diesen Millisekunden identifiziere ich einen Frosch, einen blauen Frosch. So schnell er aufgetaucht war, war er wieder verschwunden. Nicht auffindbar. Ich hab mich so erschrocken. Ich hab geweint. War total aufgelöst und gar nicht wieder zu beruhigen. Mich hat es gegruselt und geekelt. Ich fühlte die Kälte von diesem Etwas noch Stunden danach an meinem Bein.
Das Schlimme damals war nicht der Schreck. Das Schlimme war, dass mir niemand geglaubt hat. Niemand hat mich ernst genommen. Niemand war mitfühlend und verständnisvoll da, konnte nachvollziehen, wie gruselig das für mich war. Niemand sonst hat diesen blauen Frosch gesehen. Ich stand in meinem Erleben alleine da. Ich hätte mich im Schreck wohl getäuscht, haben sie gesagt. Gelacht haben sie. Blaue Frösche gibt es nicht. Ich muss mich vertan haben. Ist doch alles gar nicht so schlimm. Ach, das Mädchen hat sich bloß erschrocken, die kriegt sich schon wieder ein. Jetzt ist aber mal wieder gut.
Ich hab immer wieder von diesem blauen Frosch angefangen. Und nirgends konnte ich damit landen, nirgends wurde ich gehört und für voll genommen.
Und jetzt sehe ich dieses Bild (nicht das auf meinem Bild, das ist ein "Ersatz" von Canva) auf Facebook, fast 40 Jahre später. Genau so ein Frosch war das damals. Dieses Ereignis und diese "Aufklärung" jetzt, Jaaaaaaaaaaahre nach dem Erleben, sind so sinnbildlich für die größten Wunden aus der Kindheit und die Erlösung im Erwachsenenleben.
Ich hatte immer Recht als Kind. Meine Gefühle waren immer richtig. Ich mag manche Situationen falsch gedeutet, falsch verstanden haben, falsche Schlüsse gezogen haben, aber meine Gefühle und mein Innenerleben, meine Wahrnehmung waren immer richtig. Mir wurde das nur nie bestätigt. Mir wurde viel mehr ständig das Gegenteil davon erzählt. Der "Genickbruch" überhaupt. Und deswegen funktioniert für mich in Sachen Heilung immer "nur" das eine: Dass meine inneren Kinder recht bekommen. Dass sie gesehen und mitgefühlt werden. Dass sie ernst genommen werden und für voll genommen. Dass ihnen zugehört wird. Dass sie Raum haben. Dass ihre Emotionen (aus)gehalten werden. Dass sie MIT ihren Emotionen gehalten werden. Dass sie erfasst werden darin, was das alles gerade für sie bedeutet. Dass sie da sein dürfen, mit dem, was gerade in ihnen tobt. RADIKALE ANNAHME und RADIKALE ERLAUBNIS!
Blaue Frösche gibt es eben doch! Das ist für mich DIE Metapher für all das. Was für ein Heilungsmoment! Wenn ich allen inneren Kindern auf dieser Welt eines sagen wollen würde, dann das: "Du hattest immer recht. Es hat dir nur nie jemand gesagt. Blaue Frösche gibt es eben doch."