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Samstag, 15. November 2025

Ich wollte die anderen, um mich zu bekommen

Ich mag euch mal wieder mitnehmen auf eine Innenreise von mir, durch die ich mich erst kürzlich geschrieben habe und die ich gerade so ergänzt habe, dass es hoffentlich nachvollziehbar ist. Es ist eine Innenreise, die fühlbar gezeigt hat, wie unfassbar wichtig und essentiell als Kind Schlüssigkeit und Verstehbarkeit der Erwachsenen ist und was es tatsächlich bedeutet, wenn das nicht gegeben ist. Angefangen hat es mit sehr kindlichen Sätzen, die immer wieder in mir aufgetaucht sind:

„Wenn ich den anderen nicht verstehe, hab ich das Problem. Wenn der andere nicht verstehbar ist, habe ich das Problem. Wenn ich nicht verstanden werde, hab ich das Problem.“

„Niemand setzt sich mit mir und damit auseinander. Ich bleibe verwirrt zurück.“

Wieso ist verstehen für diesen Teil so wichtig?

Das Begreifen der Welt. Transparenz. Schlüssigkeit. Mich in mir und dann, damit, in der Welt zurechtfinden. Ich muss mich und die Welt begreifen für einen sicheren Platz in mir und in ihr.

Mir wurde als Kind durch die Unverstehbarkeit der Erwachsenen tatsächlich die Verbindung zum Leben verwehrt. Mein Selbst, mein Rhythmus, mein Platz, das große Ganze, Verbundenheit, Sicherheit. Meine Göttlichkeit. Mein wahres Sein. Um das natürlich finden zu können, hätte ich Verbindung, Verstehen und Greifbarkeit gebraucht, Schlüssigkeit, Nachvollziehbarkeit, Stringenz. Die reife Präsenz der Erwachsenen. Ihre Stimmigkeit. Ihre eigene Anbindung an den Kosmos und ihren Platz darin. Darüber und dadurch hätte ich mich und meinen Platz, meine Verbundenheit mit allem, was ist, bekommen können.

Unstimmigkeiten und Widersprüchen kann ich als Kind nicht vertrauen und in mir selbst hatte ich noch keine Antworten. Das heißt, ich war völlig verloren, unsicher, im Grunde immerzu in Gefahr. Das Bisschen, was ich geglaubt hatte, verstanden zu haben, wurde mit dem nächsten Widerspruch in einer elterlichen Aussage wieder eingerissen. Ich stand wieder völlig entsetzt vor dem Nichts. Das hat sich tagtäglich immerzu wiederholt. Jeder Versuch, sie beim Wort zu nehmen, ernst zu nehmen, weil ich sie ernst nehmen können MUSS als Kind, ist gescheitert. Ich stand immerzu völlig verzweifelt vor meinen minütlich einstürzenden Welten. Keine Chance, mich in all dem zurechtzufinden, mich und die Welt zu verstehen. Die Vollkatastrophe für mich. Für die Eltern eine flüchtige Aussage, die im nächsten Moment schon wieder vergessen war.

"Du verwehrst mir nicht nur dich, sondern damit vor allem mir mich selbst!" ist der eigentliche Satz der Kleinen (vorwiegend) an die Mutter gerichtet.

Ich (der Anteil in mir) versuchte bis heute mit all meinem Verstehen wollen, nicht wirklich den anderen zu verstehen, sondern mich zu bekommen. Ich wollte im Grunde gar nicht den anderen. Ich wollte mich. Als Kind hätte ich die anderen wirklich dafür gebraucht. Jetzt, als die Erwachsene, die ich bin, hab ich mich ja schon. Der Anteil wusste das nur nicht.

Was für eine Erleichterung jetzt zu wissen, dass ich im Grunde nie wirklich die anderen erreichen wollte, sondern mit ihrer Hilfe mich selbst finden wollte. Ich wollte mich. Wenn also heute jemand nicht erreichbar ist, bedeutet das nicht automatisch, dass ich mich wieder nicht haben kann. Halleluja! Was für eine krasse, fiese, entsetzliche, kindliche Verknüpfung: „Wenn der andere (auf Dauer) nicht verstehbar/erreichbar ist, kann ich mich nicht haben.“ Wie gut, dass das nicht mehr die Wahrheit ist.

Ich brauch die Erreichbarkeit der anderen nicht mehr und schon gar nicht die Verstehbarkeit. Ich bin nicht mehr darauf angewiesen, dass sie "logisch" sind (und mir adäquat und korrekt die Welt erklären können). Ich bin auch nicht mehr darauf angewiesen, dass sie mir mich sauber spiegeln.

Ich hab mich ja schon längst. Ich hab meine Verbindung und Anbindung. Ich finde mich in mir und in der Welt hervorragend zurecht. Ich bin mit mir sicher. Ich hab das Problem der Kleinen im Grunde schon lange gelöst und jetzt auch ihre zugehörige Not beendet. Was für ein Gefühlssturm! Was für eine lange nicht erkannte Verzweiflung in all dem! Die Kleine, die so sehr auf die Verstehbarkeit der Bezugspersonen, auf das sichere Sichbeziehenkönnen, angewiesen war, wurde fühlend nach Hause geholt.

Danke für all die „fürchterlichen“ Auslöser und Fingerzeige, für all die schrecklichen Wiederholungen der Not, bis der Groschen endlich gefallen ist und die Zeit der Erkenntnis reif war. Puh!

 

Nachtrag:
Ich weiß nicht, ob ansatzweise zum Ausdruck kommt, was das alles für (m)ein Kind bedeutet, wie sehr es da tatsächlich um ALLES geht, um Leben und Tod, und zwar sein geistiges Leben, tiefste Heimat in sich selbst finden können, die Anbindung an die Schöpfung, also spirituelle Heimat, die eigene Wahrheit über das geistige Wesen. Es geht nicht nur um Zugehörigkeit und versorgt werden, also Überleben im körperlichen Sinne. Es geht auch nicht "nur" um emotionale Versorgung. Es geht um die komplette Existenz auf allen Ebenen. Darum hab ich verzweifelt gekämpft. Alter Schwede. Das ist so eine fette Hausnummer. Diese Not nochmal zu fühlen, diese Verzweiflung, diese Unmöglichkeit in all dem. Es unmöglich gemacht zu bekommen als Kind. Holy shit!