Freitag, 11. Januar 2019

Wann haben wir aufgehört, sterben zu dürfen?

Ich stelle die Frage nochmal. Ich hab sie neulich schon mal in einem Video gestellt: Wann haben wir aufgehört, sterben zu dürfen? Wieso ist der Tod etwas, das unbedingt vermieden werden muss?

Wieso wird gebetet und Energie geschickt, wenn jemand sehr krank ist? Wieso wird alle Energie darauf verwendet, dass derjenige bleibt und nicht den Körper verlässt? Wieso zerren wir so an dieser Seele rum, anstatt sie freizugeben? 

Was, wenn derjenige gehen will? Was, wenn seine Reise weitergehen soll? Woanders? Ohne Körper? Wieso glauben wir, zu wissen, dass es am besten für denjenigen ist, wenn er hier bleibt? Wie überheblich können wir sein?

Das einzige, an das wir in dem Moment denken, sind wir selbst. Wir wollen unseren Schmerz nicht spüren, den ein Abschied bedeuten würde.

Der Tod ist gleichwertig mit dem Leben. Kein einziger kommt hier lebend raus. Woher wollen wir wissen, wann es in Ordnung ist, dass jemand geht? Wieso ist ein Leben von nur vier Monaten schlechter als eins von 86 Jahren? Wer will das denn beurteilen? Warum überlassen wir es der Seele nicht einfach, selbst zu wählen? Warum öffnen wir uns nicht einfach dafür, dass das passieren darf, was passieren soll, was für alle Beteiligten gerade wichtig und richtig ist? Auch wenn es Schmerz bedeutet, kann genau das wichtig sein für die Hinterbliebenen.

Wir dürfen krank sein. Wir dürfen "an" einer Krankheit sterben. Wir dürfen durch einen Unfall sterben oder einfach so. Da gibt es nichts zu verhindern. Die Seele wird wohl weise gewählt haben, was für sie das Richtige ist. Und auch die beteiligten Seelen haben ihre Wahl auf einer höheren Ebene getroffen. Niemand ist zur falschen Zeit am falschen Ort. Niemand! 

Das zumindest ist meine Wahrheit. So wird für mich ein Schuh draus. So bin ich nicht im Widerstand zu dem, was ist. So bleibe ich offen für alles, was jetzt geschehen will. So muss ich nichts vermeiden. So kann ich nicht versagen. So bin ich - gefühlt für mich - in der Liebe zu allem, was ist.

Foto: Canva
Text und Gestaltung: Anja Reiche